Elfenkrieg
sie zu verletzen, denn auch die Königin Aurün war erneut anwesend. Diese wachte mit Argusaugen über ihr Volk und würde nicht zulassen, dass ihm ein Leid geschah. Eine vertrackte Situation, für die Daeron eine Lösung gefunden hatte.
In unzählig vielen Arbeitsstunden hatte Vinae mit ihm gemeinsam ein Betäubungsmittel hergestellt, mit welchem die Pfeile präpariert worden waren. Die Kraft dieses Elixiers würde einen Elfen sofort töten, doch die Drachen dürften keinen ernsteren Schaden nehmen. Mit den Nebelgestalten sah es jedoch schon anders aus. Diese würden sich mit ihrer Magie gegen jeden Angriff schützen und im Nebel einfach verschwinden. Trotzdem müssten sie von den Rittern in Schach gehalten werden, während die Anführerin – vermutlich mit ein paar Begleitern – zum Orakel ging, um dessen Wissen aufzunehmen.
Und dies war Vinaes und Mearas Position. Kaum hatten die Priesterinnen den Tempel verlassen, machten sie sich auf den Weg in den Saal der unversiegbaren Quelle.
Vinae war schon einmal hier gewesen, und doch staunte sie erneut, als sie den hintersten Bereich des Tempels betrat.
Die Halle war größer, als es von außen den Anschein hatte. In der Mitte befand sich ein unergründlich tiefer See, der im Licht der Miran in einem dunklen Grün schimmerte. Er wirkte wie eine nach unten führende Smaragdsäule, nur das leise Schaukeln des Wassers schmälerte diesen Eindruck etwas. Auch um sie herum führten schmale Steinbecken an allen vier Seiten entlang, welche hüfthoch und kaum einen Schritt breit waren. Diese Becken sammelten das Wasser, das unaufhörlich an den weißen Mauern der Wände herabfloss, während es von dort in den Stein und in die Höhe zurückgezogen wurde.
Das Gluckern hier im silbernen Licht war das einzige Geräusch. Das flackernde Funkeln des Sees, welches sich an den Rinnsalen der Wände reflektierte, war zugleich irritierend und fesselnd.
Hier würden sie also auf den möglichen Tod warten. Blieb nur zu hoffen, dass die Nebelpriesterin nicht allzu viele mächtige Begleiter bei ihrem blutrünstigen Vorhaben dabeihatte.
Vinae ließ sich an einem der Seitenbecken nieder und blickte auf den See in der Mitte. Ihre Mutter nahm neben ihr Platz und zog wie beiläufig die Kette mit dem Schattenkristall über ihren Kopf. Sie legte ihn am Boden nieder und richtete sich seufzend auf.
Unwillkürlich hielt Vinae die Luft an und sah sich um. Sie hatte nichts mehr von Gregoran gehört und konnte nur hoffen, dass er ihre Worte ernst nahm und sich tatsächlich fernhielt.
Sie musste sich auf das Kommende konzentrieren und durfte nicht fürchten, er könne sich jeden Moment vor ihr materialisieren und ihre Mutter töten.
Da es jedoch immer noch genauso ruhig blieb, schien er ihr Flehen – oder ihre Drohung – tatsächlich ernst genommen zu haben. Vorerst.
So saßen sie schweigend und ungeschützt nebeneinander und lauschten. Das Warten war schlimmer, als es jeder Kampf hätte sein können. Das Orakel im See ließ sich nicht blicken, denn sie hatten schon am Morgen mit ihm gesprochen. Das Beste war, es blieb verborgen, bis die beiden Thesalis ihre Aufgabe erledigt hatten – oder sie selbst erledigt worden waren. Dann würde auch das Orakel nichts mehr retten können.
Die Warnrufe waren das Erste, was sie vom hereinbrechenden Chaos draußen wahrnahmen, kurz darauf ließ das tiefe Grollen eines Drachen das friedlich fließende Wasser erzittern. Meara und Vinae tauschten einen kurzen Blick und starrten schließlich wieder zurück zum Tor. Vielleicht wäre jetzt der Moment gewesen, sich zu sagen, wie sehr sie sich liebten, doch Vinae verspürte kein Bedürfnis danach. Sie arbeitete mit ihrer Mutter zusammen, da es der Umstand erforderte, doch zu Sentimentalitäten wollte sie sich nicht hinreißen lassen. Es stimmte, Meara war ihre Mutter, und Vinae wollte ihren Tod nicht, doch viel weiter ging ihre Tochterliebe nicht.
Dann richtete Meara das Wort an sie. »Vergiss nicht«, raunte sie, ohne den Blick von der Tür zu nehmen. »Ich kümmere mich um Vanora, und du schaltest die anderen aus.«
»Ich habe es nicht vergessen.« Vinae war es immer noch fremd, die Nebelpriesterin mit dieser Legende Vanora zu verbinden und sie mit solch einem Namen zu nennen. Für sie war die Frau ein Feind und kein unschuldiges Mädchen, das einst sein Leben zum Wohle des Landes geopfert hatte. Bei dem atemberaubenden Aussehen der Frau war es nicht verwunderlich, weshalb ihr einst Männer wie Nevliin und
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