Elfenkuss
Laurel.
»Das ist deine Geschichte«, sagte Tamani. »Dein Erbe.«
Shar knurrte in seinem Rücken, aber Tamani beachtete ihn nicht. »Darum ist es so wichtig, dass dieses Grundstück nicht in die Hände der Orks fällt. Die Tore können nicht zerstört werden – doch die Pforten, die dorthin führen, schon. Und sind die Pforten erst zerstört, steht Avalon wieder allen offen. Unsere Heimat wird wieder von Krieg und Zerstörung überrollt werden.
Es steht geschrieben, wie schrecklich die Rache der Orks an Camelot war, und wir können nur ahnen, welches Schicksal Avalon erwartet, wenn sie den Weg zurück finden.«
»Aber warum gerade jetzt? Meine Mom versucht seit ewigen Zeiten, das Grundstück zu verkaufen. Sie hätten es schon vor Jahren kaufen können.«
Tamani schüttelte wieder den Kopf. »Das wissen wir auch nicht. Ganz ehrlich, ich habe Angst davor, es herauszufinden. Orks sind schlechte Verlierer. Sie fangen gar nicht erst an, wenn sie nicht sicher sind, dass sie gewinnen werden. Vielleicht haben sich viele von ihnen zusammengerottet. Vielleicht … vielleicht …« Er seufzte. »Ich weiß gar nichts, aber sie haben irgendein Geheimnis, von dem sie sich einen Vorteil erwarten. Und wenn wir das nicht herausfinden, können wir nur verlieren.« Tamani hielt inne. »Wir dachten, sie wüssten gar nicht, wo die Pforte ist.«
»Und warum nicht? Ich dachte, sie hätten versucht, hindurchzukommen, seit es sie gibt?«
»Darf ich es dabei belassen, dir zu sagen, dass nur einige wenige Orks lebend aus Avalon herausgekommen sind. Viele, viele Jahre lang nahmen wir an, dass die Überlebenden ungefähr wüssten, wo die Pforte war – und dass sie diese Information weitergegeben haben -, doch bis jetzt konnten sie die genaue Lage nicht bestimmen.«
»Und was passiert, wenn sie sie finden?«
»Wenn sie sie finden, töten wir sie. Dafür sind wir
hier. Aber das ist nicht das Schlimmste, was passieren könnte. Wenn es ihnen gelingt, das Land zu kaufen, können sie unter dem Vorwand irgendeines Bebauungsplans eine Armee von Menschen herschicken, die alles schneller kaputt machen, als wir sie töten können, ohne noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Die Pforten sind solide, aber nicht unüberwindbar. Ein paar Bulldozer und Dynamit könnten sie zerstören. Und wenn nicht, bliebe die Tatsache, dass die Pforte für jedermann sichtbar wäre, der sie finden will.«
»Du hast gesagt, sie haben meinen Vater krank gemacht?«, flüsterte Laurel.
Tamani sah sie lange an, seine Augen flackerten vor Wut. »Das glaube ich allerdings. Ich glaube auch, dass wegen dieses Giftstoffs … «
Shar räusperte sich und sprach Laurel direkt an. »Tamani redet gerne, aber du stimmst mir sicher zu, dass die Zeit knapp wird.«
Tamani schaute schmollend zum Himmel. »Ich war tatsächlich zu ausführlich«, sagte er. »Wir müssen gehen. Wir wollen sie erwischen, wenn sich der Himmel rosa färbt.«
»Warum?«
»Orks sind Nachtwesen; sie schlafen gerne, wenn die Sonne am Himmel steht. Sie werden müde und schwach sein, wenn wir sie am Ende ihres Tages angreifen.«
Laurel nickte. Sie streckte sich noch einmal, stand langsam auf und verlagerte vorsichtig das Gewicht.
Zu ihrer Überraschung taten ihre Füße kaum noch weh. Sie war weder müde noch tranig und fühlte sich rundum frisch. »Wie hast du das gemacht?«, fragte Laurel neugierig.
Lächelnd zeigte Tamani auf die Lampe. »Hast du nicht gesagt, du wolltest etwas Magisches sehen?«
Laurel starrte auf die kleine Messingkugel. »Was hat die denn damit zu tun?«
»Sie verhält sich wie künstliches Sonnenlicht. Damit kann sich dein Körper regenerieren, als wäre er voll in der Sonne. Man kann es nicht zu oft benutzen, weil deine Zellen den Unterschied sonst herausfinden, aber für Notfälle ist es sehr gut geeignet. Trotzdem«, er kramte wieder in seinem Rucksack, »kannst du die sicher gut gebrauchen.« Er hielt ihr ein Paar Mokassins hin, die so aussahen wie seine eigenen.
Als Laurel sie zuschnürte, trat Shar vor und legte Tamani eine Hand auf die Schulter. »Viel Glück. Ich habe bereits Verstärkung angefordert; in einer Stunde sollten sie hier sein.«
»Hoffentlich brauchen wir sie gar nicht erst«, erwiderte Tamani.
»Wenn wir es wirklich mit Orks zu tun haben, wie du vermutest, kann ich mir gut vorstellen, dass diese Lichtung das Heim vieler, vieler Wachtposten werden wird.«
»Und das will was heißen, wenn man die Ereignisse der letzten Wochen bedenkt«, sagte Tamani
Weitere Kostenlose Bücher