Elfenlicht
wulstigen Schmucknarben übersät. Silber sprenkelte das Haar seiner Schnauze. Seine Augen musterten die Lutin kalt durch die kleine Brille.
Alt war er geworden, das war Gandas erster Gedanke. Und die Kälte, mit der er sich umgab, war noch schneidender.
»Ja, meine Brust ... Wir alle müssen Opfer bringen. Bei unseren Verbündeten gilt man nur dann als richtiger Mann, wenn man so etwas klaglos über sich ergehen lässt. Sie schmieren einem eine graue Paste in die Wunden. Es heißt, ihre Schamaninnen hätten da hineingepinkelt. Und das ist noch eine der angenehmeren Zutaten. Die Wunden heilen schlecht, und es bilden sich diese üblen Narben. Unsere Verbündeten haben ein eigenwilliges Verständnis von Schönheit. Das ist der Preis ...« Er sah ihre Hand. »Und wie ist es dir im Kerker ergangen?«
Ganda stutzte. Wusste er es wirklich nicht besser? Glaubte er die Geschichten, die er über sie geschrieben hatte, am Ende gar selbst? Es war unmöglich, in seiner Miene zu lesen. Nichts verriet, ob er scherzte oder es ernst meinte.
Die Lutin hob ihre Silberhand und streifte den Ärmel ihres Kleides zurück. »Jeder zahlte seinen Preis«, sagte sie, ohne sich damit auf irgendetwas festzulegen.
Er trat dicht vor sie. Sein Atem roch nach Knoblauch. Vorsichtig berührte er die silberne Hand. »Sie haben dir übel mitgespielt, die Elfen ...«
»Ja.«
»Gut, dass du ihnen entkommen bist.«
Ganda war das Versteckspiel leid. »Ich war nicht ihre Gefangene. Ich ...«
Er legte ihr sanft die Hand auf die Lippen. »Ich will das nicht hören. Weißt du, jeder erschafft sich seine eigene Welt. Sie setzt sich aus Wahrheit, Missverständnissen und Lügen zusammen. Deshalb bleiben wir letztlich immer einsam. Niemand teilt wirklich die Welt eines anderen. Es gab eine Zeit, da habe ich dich für eine Verräterin gehalten, Ganda. Du warst unsere beste Pfadfinderin. Du weißt, wie dringend wir dich gebraucht hätten. Du bist gesehen worden, wie du zweimal in einer Nacht in Emerelles Burg gegangen bist. Du weißt ja, wir Lutin haben unsere Augen überall. Niemand hat dich jemals wieder von dort fortgehen sehen. Ich habe hunderte Male versucht, in die Burg zu gelangen. Doch Emerelle schätzt mich nicht. Sie hat es verstanden, mich fern zu halten. Um unsere Spitzel weiß sie jedoch nicht. Selbst in ihrem Fechtsaal wird sie beobachtet. Dich zu finden, war dennoch unmöglich. Ich hatte Angst, dass du tot bist. Doch auch dafür gab es keine Zeugen. Gerüchte machten die Runde, dass du unsere Sache verraten hättest. Du als meine Vertraute! Ich musste etwas dagegen unternehmen. Also machte ich dich zur Märtyrerin. Kommandantin Schlüsselchen, von den Elfen verschleppt, weil sie eine der Größten unseres Volkes war. Eine Heldin im Kampf gegen die Knechter. So hast du mir weiterhin gedient und unsere Sache vorangebracht. Zerstöre das nicht, Ganda. Für unsere Kampfgefährten bist du die Lutin, die ihren Folterknechten entkommen ist. Die Aufrechte, die in all den Jahren, die man sie im tiefsten Kerker von Burg Elfenlicht gefangen hielt, niemals unsere Sache verraten hat. Die Kriegerin, die ihren Wächtern entkam und zu uns zurückkehrte, um wieder den Kampf gegen die Unterdrücker aufzunehmen. Die Stunde des Sieges ist nicht mehr fern, Ganda. Bald schon wird sich die Einheitsfront aller Kobolde erheben und die Herrschaft der Elfen hinwegfegen.«
»Mit geringfügiger Unterstützung durch die Trolle.« Sie blickte über das weite Schlachtfeld. Die Kämpfe in unmittelbarer Nähe waren zum Erliegen gekommen. Es schien, als zögen sich die Elfen zurück.
»Zynismus steht einer Kommandantin der Rotmützen nicht gut zu Gesicht, Ganda. Auch die Trolle sind Opfer der Elfen. Es war nur folgerichtig, dass wir uns im Kampf gegen den gemeinsamen Feind unterstützen.«
»Und in welches Licht stellt es unsere Sache, wenn wir die Unterstützung blutsaufender Ungeheuer brauchen?«
Sie berührte Elijas vernarbte Brust. »Kann ein Sieg nicht auch zu teuer erkauft sein?«
»Brennt in deiner Brust ein Feuer, Ganda?«
Sie sah ihn misstrauisch an. »Wie meinst du das?«
»Gibt es etwas, wofür du bedenkenlos dein Leben geben würdest? Hat dein Leben ein Ziel? Gibt es für dich einen höheren Wert, als einfach nur zu existieren?«
»Zu existieren hat mir bisher genügt.«
»Was für eine kümmerliche Seele du doch hast. Was ist in den Kerkern der Elfen aus der Ganda geworden, die ich einmal kannte?« Er packte sie bei den Armen. Seine Augen glänzten, und
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