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Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brennan
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später erhob sich dort eine Plattform aus Granit, aus der eine natürliche, etwa zweieinhalb Meter hohe Säule emporragte.
    Die gigantische Schlange hatte sich entfernt. Loki stand unbeweglich da und seine Aufmerksamkeit war auf etwas anderes gerichtet. Blue war vielleicht noch drei schnelle Schritte von dem Messer entfernt. Sie konnte es sich schnappen und die Klinge in seinen Rücken stoßen, bevor er überhaupt begriff, was los war.
    Sie zögerte. Die Klinge hatte bei der Schlange nicht funktioniert. Würde sie auch bei Loki versagen? Wenn das so wäre, würde dieser Anschlag auf sein Leben nichts bewirken   – und ihn hochgradig verärgern. War es klüger, zu warten und auf eine bessere Gelegenheit zu hoffen? Ihr war halb bewusst, dass ihr innerer Dialog nur der Versuch war, vernünftig zu sein. Was sie wirklich zögern ließ, war etwas weitaus Mächtigeres als die Angst vorm Versagen. Was sie zögern ließ, war reine Neugier.
    Schwere Ketten und Handschellen hingen jetzt an der Säule. Mit einem Knall wie von einem Donnerschlag öffnete sich ein breiter Riss im Höhlenboden und Lava floss heraus, die einen trägen, glühenden Strom bildete, der die ganze Plattform umströmte.
    Loki blickte über seine Schulter. »Eindrucksvoll, findest du nicht?«
    Blue sagte nichts. Was machte er da? Dies war ein Wesen mit gottgleichen Kräften und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wofür es sie einsetzte.
    »Muss noch was an der Beleuchtung ändern«, murmelte Loki. »Nicht annähernd dramatisch genug.« Er legte den Kopf in den Nacken und richtete den Blick an die Decke. Ein schwerer Vorhang senkte sich über den Torbogen mit dem Metallgitter, schnitt das strahlende Licht ab und tauchte die Höhle in düsteres Dunkel, in dem der glühende Lavastrom rötlich leuchtete.
    »Schöööön!«, seufzte Loki. Er fuchtelte noch einmal mit den Händen.
    Blue spürte, was geschah, bevor sie es tatsächlich hörte: ein tiefes, unterschalliges Vibrieren, das einem durch Mark und Bein drang und dann zu einem anhaltenden Orgelton anschwoll, der hintergründige Spannung und Bedrohung suggerierte. Die ganze Szene verwandelte sich in eine Art billiges Theater, wo man den guten Geschmack der Melodramatik opferte.
    »Und nun, Jormungand, mein Lieber, musst du deine Rolle spielen!«
    Diesmal gestikulierte Loki nicht; Blue hörte stattdessen ein seltsames, schleifendes Geräusch und drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie die riesige Schlange rapide schrumpfte und sich dabei verwandelte. Einen Augenblick lang konnte Blue nicht erkennen, was da geschah   – es schien, als wäre die Realität selbst verzerrt   –, und dann erblickte sie einen prächtigen, silbergrauen, schuppigen Drachen. Die Kreatur war viel kleiner als die Schlange, aber immer noch riesig. Sie legte den Kopf in den Nacken und spie einen Feuerschweif aus. Hitze überrollte sie wie eine Welle.
    »Ah, prächtig!«, sagte Loki. Er sah liebevoll zu, wie der Drache über den Höhlenboden stampfte, um seinen Platzvor der Plattform einzunehmen. Er rollte seinen großen, stacheligen Schwanz zusammen und stieß eine Rauchfahne aus. Loki drehte sich um. »Und nun du, meine Liebe.«
    Für einen Augenblick geriet Blue in Panik. In seinen Augen lag etwas, das ihr gar nicht gefiel.
    »Nur einen Au-«
    Er streckte seine rechte Hand aus, die sich dehnte und dann eine einzelne, rasiermesserscharfe Klaue ausfuhr. Bevor sie sich noch rühren konnte, war die Klaue an ihrer Kehle. »Du musst ebenfalls deine Rolle spielen«, sagte er und schlitzte sie auf.
    Blue zuckte zurück, aber da war kein Blut, keine Verletzung. Die Klaue hatte ihren Körper überhaupt nicht berührt, doch ihre Bluse war zerfetzt. Sie griff nach den Fetzen, um sich rasch zu bedecken. Im nächsten Moment war sie auf der Plattform, an die riesige Säule gekettet. Unter ihr hockte der Drache. Er drehte sich um und starrte sie mit seinen Echsenaugen an. Hinter ihm stand Loki, die Hände in die Hüften gestemmt, während er mit geneigtem Kopf sein Meisterwerk begutachtete.
    »Perfekt!«, rief er aus. »Die ideale hilflose junge Dame.« Er lächelte ihr zu. »Jetzt müssen wir nur noch auf Henry warten.«

NEUNUNDACHTZIG
    H enry dachte, dass dies alles ein ziemlicher Schlamassel war. Das Problem war, dass er überhaupt nichts vorausgeplant hatte   – er war einfach losgezogen, um nach Blue zu suchen, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, in welchen Schwierigkeiten sie stecken mochte (und

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