Elfenlord
Rasenfläche, die in der Ferne von einer Baumreihe gesäumt wurde. Ein Pfau stolzierte über das Gras und ruckte mit dem Kopf. Pfauen waren prächtige Vögel, die es nur noch in der Gegenwelt gab, nachdem sie im Elfenreich ausgestorben waren. Diesen hatten sie mit dem Haus erworben, er hatte schon dem Vorbesitzer gehört, der zu weichherzig war, ihn aus seinem angestammten Reich zu vertreiben. In der Dämmerung stieß er unheimliche Schreie aus. Pyrgus dachte, dass er vielleicht nach seinem Weibchen suchte, das gestorben war, kurz bevor das Haus den Besitzer gewechselt hatte.
»Blue weiß immer noch nichts?«, fragte er.
»Nein.«
»Glaubst du, dass sie etwas ahnt?« Pyrgus kannte seine Schwester sehr gut. Der kleinste Verdacht, und sie verbiss sich darin wie ein Terrier.
»Das bezweifle ich«, sagte Nymph. »Ich wüsste nicht, woher. Jetzt, wo Mr Fogarty tot ist, sind du, ich und Madame Cardui die Einzigen, die davon wissen.«
»Blue ist sehr klug«, sagte Pyrgus. »Wir sollten sie niemals unterschätzen.« Dennoch war er beruhigt. Er sah zu, wie der Pfau davonstelzte, dann fragte er: »Ist Henry sehr mitgenommen?«
»Furchtbar«, sagte Nymph. »Er tat mir so leid. Ich wollte es ihm unbedingt sagen.«
Pyrgus blickte über seine Schulter zu ihr hin. »Aber das hast du doch nicht?«
»Natürlich nicht.«
»Gut«, sagte Pyrgus.
Einen Augenblick später stand Nymph auf, lief durchs Zimmer und stellte sich neben ihn ans Fenster. »Hast du den Pfau beobachtet?«
»Ja«, nickte Pyrgus. »Ich glaube, er vermisst seine Gefährtin.«
Nymph sagte: »Wirst du jetzt zurückkehren?«
Ein wenig traurig sagte Pyrgus: »Ja.«
»Das musst du nicht, weißt du?«
»Doch, ich muss«, erklärte Pyrgus ihr.
Nymph leckte sich die Lippen. »Das ist gefährlich. Sehr gefährlich.«
»Ich weiß.«
»Für jeden.«
»Ich weiß.«
»Ich werde mit dir gehen«, sagte Nymph.
»Ja«, sagte Pyrgus.
ZWEIUNDZWANZIG
E s war seltsam: Sie mieden die Straßen, versammelten sich aber in den Kneipen, als ob ein Bauch voller Bier sie vor dem Fieber schützen würde. Der Mann, der Chalkhill gegenübersaß, hatte sehr viel Bauch und sehr viel Bier darin. Sein Atem roch wie eine Brauerei.
»Sind Sie sicher, dass er es war?«, fragte Chalkhill.
»Dürrer, kleiner Zwerg, sieht aus, als wäre er tausend Jahre alt, trägt einen Dämonologenschal? Hört sich wie die Beschreibung an, die Sie ausgegeben haben, Mr Chalkhill.«
Es war eine sehr raue Gegend und eine sehr raue Kneipe. Chalkhill war sich im Klaren darüber, dass er mit seiner teuren Kleidung auffallen musste wie ein Hofnarr bei einer Beerdigung. Aber niemand nahm dein Geld ernst, solange du nicht entsprechend aussahst. Außerdem war er bis an die Zähne bewaffnet.
»Also, wo ist er hin?«, fragte er seinen Informanten.
Der große Mann starrte ihn schweigend an.
»O ja, schon gut«, rief Chalkhill aus. Da er wieder sein affiges Gehabe angenommen hatte, seufzte er geräuschvoll und fügte hinzu: »Was ist nur aus dem Vertrauen geworden, frage ich mich?« Er holte einen kleinen Beutel mit Münzen heraus und warf ihn auf den Tisch. An den Nachbartischen verstummten sofort die Gespräche.
Die Hand des großen Mannes begrub den Beutel und die Gespräche setzten wieder ein. »Mount Pleasant«, sagte er.
Chalkhill runzelte die Stirn. »Mount Pleasant?« Das gehörte zu den wohlhabendsten Vierteln der Stadt, absolut keins von den Stammrevieren Brimstones.
»Das hat er jedenfalls gesagt«, bekräftigte der große Mann mit einem Ausdruck, der klarmachte, dass er die Münzen bestimmt nicht zurückgeben würde.
Na ja, vielleicht war Silas ja in die große Welt aufgestiegen. Oder Hairstreak finanzierte ihn. Seine Scheißlordschaft hatte vielleicht harten Zeiten entgegengesehen, aber Hairstreak wäre nicht Hairstreak, wenn er nicht irgendwo noch was in der Hinterhand hätte. Oder vielleicht hatte auch die Bruderschaft eine Kollekte veranstaltet. Oder Brimstone besuchte einfach bloß einen reichen Verwandten.
Was bedeutete das schon? Wenn Brimstone auf dem Weg nach Mount Pleasant war, dann musste Chalkhill dorthin. Die alte Hexe hatte klargemacht, dass sie Fakten wollte, und sie war nicht gerade für ihre Geduld berühmt. Wobei er selbst auch keine Neigung hatte, die Sache zu verschleppen.
Chalkhill fühlte sich am Flussufer schutzloser als in der Kneipe und stand nervös da, während drei Wassertaxis anihm vorbeifuhren und sein Rufen und Winken ignorierten. Das vierte legte
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