Elfenmeer: Roman (German Edition)
hörte sie ihn bei dem Versuch, sie unter Kontrolle zu halten, keuchen. »Gebt auf, Ihr müsst …« Er verstummte abrupt und blickte an ihr hinab. »Seid Ihr …«Seine Augen wurden riesig. »Majestät, Ihr habt ja gar nichts an!«
Liadan schob sich von dem Fremden weg. »Was Ihr nicht sagt.« Sie blickte an ihm vorbei, um sich in der Dunkelheit umzusehen, und entdeckte zu ihrem Entsetzen ein Schiff. Hier waren also die Lichter, nur die falschen. Es war nur ein Schiff, vielleicht war das des Kobolds wieder unsichtbar oder irgendwo anders hingesegelt, und wo der Feuerprinz war, konnte sie sich gut vorstellen.
Es war vorbei. Sie hatte verloren. Genauso gut konnte sie jetzt aufhören zu schwimmen und einfach untergehen. Ihr Tod war gewiss. Was sollte nun aus ihrem Land werden?
»Wir brauchen eine Decke!«, hörte sie den Elfen rufen, der ihren Arm festhielt.
»Die Decke gibt’s im Trockenen«, rief ein anderer zurück, doch der Elf an ihrer Seite schüttelte den Kopf.
»Wir brauchen sofort eine Decke!«
Liadan verdrehte die Augen. Diese Situation war zu absurd. Sie sollte hingerichtet werden, nicht nur, weil sie eine menschenversklavende und magievernichtende Königin war, sondern nun war auch noch Mord hinzugekommen. Welche Rolle spielte da noch ihre Würde?
Resigniert ließ sie ihren Blick über den schwarzen Schiffskörper wandern und sah die Silhouette des Korallenfürsten im Schein der Lampen auf der Bordwand. Seine Hände streckten sich nach ihr aus und ließen sie nicht entkommen. Er war es gewesen, der sie zurückgezogen hatte.
Etwas fiel ins Wasser, und der Elf ließ sie los. »Bleibt hier«, wies er sie an, und beinahe hätte Liadan aufgelacht. Wohin sollte sie denn gehen? Die Magie des Korallenfürsten ließ sie nicht fort.
Der Elf kehrte zurück und reichte ihr tatsächlich eine dünneDecke, die Liadan sich um den Leib schlang. Sie hatte kaum die Enden vor sich zusammengefasst, da wurde sie in die Luft gehoben. Erschrocken schnappte sie nach Luft, griff zur Seite, um Halt zu finden, doch da warf das Wasser sie schon in einem Bogen aufs Deck des Schiffes. Hart fiel sie auf die Planken, Wasser ergoss sich über sie und Liadan konnte einen Moment lang nichts anderes tun, als um Atem zu ringen und den Schmerz in ihren Knochen zu spüren. Jetzt, da die Schwerelosigkeit dahin war, tat ihr alles weh, und sie hatte das Gefühl, sich nicht mehr rühren zu können. Das war alles zu viel, sie konnte nicht mehr.
»Majestät?«
Liadan hob den Kopf und sah durch den Schleier ihres nassen Haars den Korallenfürsten über sich stehen. Wie ein Turm ragte er über ihr auf und blickte mit vor der Brust verschränkten Armen auf sie hinab.
»Steht auf.«
Niemand rührte sich, und auch der Anführer der Piraten reichte ihr keine helfende Hand. Liadan überlegte, ob sie diesen Befehl ignorieren sollte. Doch sie wollte auch nicht halbnackt und klitschnass auf den Planken liegen bleiben. Resigniert strich sie sich das Haar aus dem Gesicht und fasste die Decke mit einer Hand an ihrer Brust zusammen. Sie war verrutscht und hatte ihre Beine freigegeben, aber das machte ihr jetzt auch nichts mehr aus. Mit der freien Hand stützte sie sich ab und kniff die Augen zusammen. Ein Zittern überfiel sie, das sie beinahe wieder zusammenbrechen ließ, und alles drehte sich. Der Schmerz in ihren Gliedern sandte heiße Wellen durch ihren Körper.
»Etwas schneller, wenn es Euch genehm ist, Majestät.«
Liadan atmete tief durch. Wie sehr musste der Korallenfürst es lieben, sie hier vor all seinen Leuten zu demütigen. Er klangzwar nicht schadenfroh, sondern eher todernst, aber sie wusste, dass er ihre miserable Lage genoss.
Eine halbe Ewigkeit verging, bis sie endlich auf wackeligen Beinen zum Stehen kam. Der unsanfte Sturz vom Wasser aufs Schiff hatte sein Übriges getan, um alles, was an ihr noch heil gewesen war, mit Wunden zu übersäen. Das Holz hatte ihre zarte Haut aufgeschürft, und Blut tropfte von ihrem Knie den Unterschenkel hinab, zudem war ihre Schulter aufgeschürft. Kleine Blessuren, die Liadan in diesem Moment in die Verzweiflung trieben. Sie hatte das Gefühl, beim nächsten unfreundlichen Wort zusammenzubrechen.
Sie wusste nicht, ob ihre Mimik ihr noch gehorchte, bemühte sich jedoch um einen gleichmütigen Gesichtsausdruck, als sie nass, frierend und nur mit einer Decke bekleidet ins Gesicht des Fürsten blickte. Der sah mit unbewegter Miene auf sie hinab. Sein offenes Haar wehte um sein Gesicht, und die
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