Elfenmeer: Roman (German Edition)
silberfarbenen Augen wirkten wie Eis.
»Kommt.« Er wies zu jener Treppe, die aufs erhöhte Deck im hinteren Bereich führte, und setzte sich in Bewegung. Liadan biss die Zähne zusammen, um Kraft für ihre ersten Schritte zu sammeln, da stieß jemand sie in den Rücken.
»Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit, Majestät«, hörte sie den Korallenfürsten rufen, und Liadan beeilte sich, ihm zu folgen, ehe sie von den Piraten noch niedergestoßen wurde. Sie wusste, sie würde es nicht ein weiteres Mal auf die Beine schaffen.
»Ich würde Euch ja anbieten, einen Heiler zu Euch zu schicken«, sagte der Korallenfürst, als sie sich hinter ihm die Stufen hochmühte, »aber Ihr meintet ja, auch ohne magische Heilung auszukommen. Schließlich muss nicht jedes Zipperlein behandelt werden. Wir leben ewig und können uns etwas geduldiger zeigen.«
»Da habt Ihr recht«, presste Liadan hervor und zwang sich, den Kopf hochzuhalten. »Wo sind die anderen?«, fragte sie, um dem Piraten zu suggerieren, dass es ihr ausgezeichnet ging.
»Unterwegs.«
»Wohin?«
»Wieso sollte ich dem Feind meine Pläne mitteilen?«
Er führte sie hinunter ins Herz des Schiffes und weiter zu seiner Kapitänskajüte, die verlassen dalag.
»Wieso bringt Ihr mich hierher?«, wollte sie wissen und sah sich um. »Meine Hinrichtung wird doch bestimmt an Deck stattfinden.«
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
Liadan schloss einen Moment lang müde die Augen. »Ihr werdet mich töten. Das habt Ihr doch mit den anderen Kapitänen beschlossen. Nun, ich bin bereit.«
Der Korallenfürst lehnte sich gegen die geschlossene Tür und sah sie einen Moment lang schweigend an, dann zuckte er mit den Schultern. »Fast hättet Ihr Eure eigene Hinrichtung herbeigeführt. Wenn ich Euch nur etwas später gefunden hätte, so wärt Ihr jetzt Fischfutter, Majestät.«
»Ich wäre in Sicherheit.«
»Glaubt Ihr das wirklich?« Der Fürst stieß sich von der Tür ab und schlenderte auf sie zu. »Welche Sicherheit meintet Ihr im Osten zu finden, bis auf Wasser und noch mehr Wasser?« Auf ihr Schweigen hin hob er die Augenbrauen. »Ihr wolltet die Insel erreichen, nicht wahr? Nun, da seid Ihr in die falsche Richtung geschwommen. Gut, dass ich Euch gefunden habe, ehe auch noch Eure letzten Kräfte geschwunden sind.«
Liadan schob ihr Kinn ein wenig vor. »Es ging mir aufgezeichnet. Ich hätte es geschafft.«
»Nein.« Er blieb vor ihr stehen und sah auf sie hinab. »Das hättet Ihr nicht und Ihr wärt jetzt tot.«
»Wieso habt Ihr Euch dann die Mühe gemacht, mich zu suchen?« Sie blickte ihm in die Augen. »Wieso mich vor dem Ertrinken bewahren, um mich dann zu töten? Geht es um die öffentliche Zurschaustellung?«
»Ich werde Euch nicht töten.«
Liadan zog die Augenbrauen zusammen.
»Wie kommt Ihr darauf?«, wollte er wissen und beobachtete aufmerksam ihr Gesicht, etwas, was sie irritierte, denn er sollte nicht merken, wie verwirrt sie plötzlich war.
»Ich …« Sie räusperte sich – nur keine Schwäche zeigen! »Ich habe Euch und die anderen reden gehört. Außerdem habe ich …« Ihre Stimme begann zu zittern. »Außerdem habe ich …«
»Ihr habt Ceth getötet.« Der Korallenfürst nickte langsam. »Das ist mir nicht entgangen. Aber Ihr werdet leben.«
Sie starrte ihn an. »Wieso?«
»Ihr habt versucht, Euch aus Eurer Gefangenschaft zu befreien. Das respektiere ich. Und Ihr habt recht, die anderen wollen Euch töten, aber ich sehe nichts Gutes darin.«
Liadan lachte auf. Sie wollte etwas sagen, doch es gelang ihr nicht. Stattdessen lachte sie immer weiter, sie konnte den Drang nicht unterdrücken. Sie wich etwas zurück und presste sich die Hand gegen die schmerzende Brust. »Ihr wollt mich nicht töten«, kicherte sie und schüttelte den Kopf. »Ihr wollt …« Sie konnte einfach nicht aufhören zu lachen. »Ich bin von diesem Schiff gesprungen und im Ozean umhergeschwommen, und Ihr werdet mich nicht töten.« Das Lachen erschütterte ihren ganzen Körper, und ihre Sicht verschwamm, da ein nasser Schleier ihre Augen bedeckte. »Wozu das Ganze? Was wollt Ihr noch mit mir? Ich habe einen der Euren getötet.« Sie blickte ihm ins Gesicht und breitete die Arme aus. »Ich habe ihn umgebracht.« Ein neuerlicher Lachanfall schütteltesie. »Einfach so. Das Messer … ich habe ihn umgebracht, und all die Menschen auf den Inseln oder in den Minen sterben qualvoll.« Was war nur los mit ihr? Sie musste sich wieder unter Kontrolle bekommen, doch ihr Wille
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