Elfenmeer: Roman (German Edition)
erscholl ein Ruf, verstörend nah, und Liadan versuchte die Stimme zuzuordnen. Etwas regte sich in ihr bei diesem Klang, ein Ziehen und Brennen in ihrem Bauch, ein Flattern in ihrer Brust.
Sie war eingeschlafen, so sicher und zufrieden. Sie hatte ihren Kopf auf seine Brust gebettet, sich von seinen Armen umschlingen lassen, und dann war sie wie ein Kind in der Sicherheit der Wiege in sanfte Dunkelheit geglitten.
Ich liebe dich, Liadan .
Mit einem Ruck saß sie aufrecht und schaute sich in der Kapitänskajüte um. Als Erstes sah sie die zerknüllte Decke am Boden liegen, die ihr nach ihrem Abenteuer im Wasser als Kleidung gedient hatte. Daneben ragten schlanke, lange Beine empor, die in schwarzen Hosen steckten.
Das Flattern verstärkte sich, es wurde so heftig, dass sie ihre Hand gegen ihre Brust pressen musste, um es zu stoppen.
Mit angehaltenem Atem ließ sie ihren Blick hochwandern, zu einem unbekleideten Bauch, den sie vor kurzem noch geküsst hatte, und weiter über eine muskulöse Brust, auf die goldenes Haar hinabfiel.
»Oh nein«, stöhnte sie und zwang sich, in das Gesicht des Korallenfürsten zu blicken. Der sah sie aufmerksam an, seine Augen verengt, die Züge angespannt. Liadan schüttelte den Kopf. »Nein.« Bitte nicht .
»Deinem erschrockenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, bist du wieder ganz die Alte.«
Die Worte trafen sie wie ein Peitschenhieb. Was hatte sie getan?Unsicher blickte sie an sich hinab und sah ihre Befürchtungen bestätigt. Sie war nackt!
Sofort riss sie die Decke an sich und bedeckte ihren Körper, so gut es ihr möglich war. Ihr Atem beschleunigte sich, und einen Moment lang fürchtete sie, erneut einen Erstickungsanfall zu erleiden.
»Ich fürchtete, dass es so kommen würde.«
»Was?« Sie riss den Kopf hoch und starrte den Korallenfürsten an, der langsam auf sie zukam. Dabei streckte er eine Hand nach ihr aus, als versuche er, ein verschrecktes Pferd zu bändigen. Vielleicht, weil sie so weit von ihm zurückrutschte, wie es ihr dieses Bett erlaubte. »Atme einmal tief durch, Liadan. Die Welt ist nicht untergegangen. Es ist alles noch so wie zuvor.«
Ein Pochen ertönte in ihren Ohren, und Liadan war einen Moment lang unfähig, sich zu rühren. An die Wand in ihrem Rücken gepresst, sah sie zu ihm hoch, wie er seinen prüfenden Blick auf ihr ruhen ließ, als wolle er in ihren Augen ihre Gedanken lesen. Doch dann sprang sie aus dem Bett und zog die Decke mit sich.
»Ja.« Ihre Stimme klang ungewohnt hoch, und sie war selbst erschrocken darüber. »Alles ist so wie zuvor.« Sie hob ihren Kopf an und bemühte sich um eine ungerührte Miene. Dies konnte einfach nicht wahr sein, sie konnte nicht so dumm gewesen sein – sie doch nicht. Anderen mochte so etwas widerfahren, aber ihr nicht. Vor ihr stand ihr Entführer. Der Mann, der sie ihrer Heimat entrissen und unzumutbaren Zuständen ausgesetzt hatte. Sie war in Seeschlachten verwickelt worden, hatte besessene Magier beobachtet, war von einem Piraten erniedrigt und misshandelt und von Meerjungfrauen fast getötet worden. Man hatte sie eingesperrt, bedroht und beschimpft. Ihre schmerzenden Muskeln erinnerten sie noch deutlich andie Tortur ihrer Flucht. Es musste ihre Schwäche gewesen sein. Schwäche und Erleichterung über ihre Rettung. Aber jetzt war sie ausgeruht und stark. Sie konnte wieder klar denken, und ihr Verstand sagte ihr, dass sie sofort von hier verschwinden musste.
»Nichts hat sich geändert«, sagte sie so hochmütig wie möglich und zwang sich, dem misstrauischen Blick des Piraten standzuhalten. »Weder, was die Magie und die Menschen, noch, was … noch, was Euch betrifft, Korallenfürst. Alles ist so wie zuvor.«
»Liadan …«
»Hört auf, so vertraulich mit mir zu reden. Ich bin Eure Königin!«
»Vorhin wart Ihr meine Geliebte.«
Liadan riss die Augen auf. »Ich … Ich war nicht … ich war nicht ich selbst, und Ihr habt dies schamlos ausgenutzt.« Sie lachte verächtlich auf. »Von einem Piraten ist wohl nichts anderes zu erwarten. Von Ehre habt Ihr wohl noch nie etwas gehört.«
Die silberfarbenen Augen verdunkelten sich, und mit einem Mal zeigte sein Ausdruck Zorn anstatt Besorgnis. Am deutlichen Heben seiner Brust erkannte sie, wie er einatmete, und dann straffte er die Schultern. »Du warst du selbst, Liadan – endlich! Du hast das gezeigt, was ich schon so lange in deinen Augen erkenne: Güte, Großzügigkeit, Verletzlichkeit, Wärme … Liebe.«
Ich liebe dich, Liadan.
»Ihr
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