Elfenmeer: Roman (German Edition)
blickte auf und hatte das Gefühl zu ersticken. Die Wahrheit wollte aus ihm heraus, die Worte formten sich bereits in seinem Kopf. Ich war es! Ich habe sie fallen lassen! Es ist meine Schuld!
Er öffnete den Mund, holte Atem … und schloss die Augen.
»Wir lassen dich jetzt allein.«
Er hörte, wie sich die beiden flüsternd zur Tür begaben. »Die Nachricht scheint ihn sehr mitzunehmen«, sagte die Fürstin.
»Ja, ich hielt sie stets für die schärfsten Konkurrenten, aber sie scheinen zusammengewachsen zu sein.«
»Armes Mädchen.«
Die Tür schloss sich, und Valuar war immer noch nicht in der Lage, sich zu bewegen. Es war alles seine Schuld.
Marinel
Er sah aus wie ein Held – ein Bezwinger von Drachen und Dämonen, ein Kämpfer für das Gute und Gerechte, ein wahrhaftiger Ritter. Ein widerlicher Anblick. Am liebsten wäre Marinel von den Zuschauerrängen zu den angehenden Rittern hinübergegangen, um das selbstgerechte Gesicht Valuars zu Boden zu drücken, bis er Sand fraß.
In einer eigens für ihn angefertigten Silberrüstung stand er geschniegelt und gestriegelt mit den anderen in der Reihe, den Blick ehrfurchtsvoll nach oben zum Podium gerichtet. Der Vollmond beschien den Strandabschnitt im Rücken des Drachenfelsens und ließ sein weißgoldenes Haar wie die vielen Brillanten an seiner Schwertscheide leuchten.
Sein Schwert. Marinel biss die Zähne zusammen. Der Groll drohte sie zu ersticken. Er verdiente es nicht, dieses Schwert zu tragen. Er wusste diese Ehre ja noch nicht einmal zu würdigen! Für ihn war es ein Schwert wie jedes andere. Was würde Marinel dafür geben, diese elegante, leicht geschwungene Klinge in den Händen zu halten. Sie war filigran und zugleich stark, wunderschön und tödlich. Und sie hing an Valuars Seite. Was für eine Verschwendung.
Noch weniger, als das Schwert zu tragen, verdiente er es aber, hier zu stehen und seinen Eid als Ritter abzulegen. Dies war ihr Platz! Sie hatte dafür gekämpft, hatte alles dafür gegeben! Nein, sie konnte das nicht länger mitansehen.
»Lass uns gehen«, raunte sie Elrohir zu, der auf Zehenspitzenüber die versammelten Elfen im Festtagsgewand hinwegzublicken versuchte. »Ich halte es hier nicht mehr aus.«
»Aber die Königin wird jeden Moment kommen.«
»Das ist mir gleich. Wenn ich diesen Aufschneider noch einen Moment länger anschauen muss, fang ich an zu schreien.«
Elrohir ließ sich zurück auf die Füße sinken und wandte sich ihr zu. »Achtung«, meinte er lächelnd. »Das klingt sehr nach Bitternis.«
»Und wenn schon.« Ihre Worte wurden zu einem Fauchen. Im Moment konnte sie sich selbst nicht besonders gut leiden, aber Valuars Anblick war zu viel. »Das alles hier ist ein Schwindel. Die öffentliche Zurschaustellung einer Fehlentscheidung des Befehlshabers.«
»Ein Befehlshaber, der deine Abwesenheit bemerken wird. Das sind deine Kameraden, Marinel, und du solltest dich für sie freuen.«
Ein Schnauben war alles, was sie hervorbrachte. Er verstand gar nichts. Rein gar nichts.
Geistesabwesend berührte sie den Anhänger an ihrer Brust und schloss die drei Finger ihrer rechten Hand darum. Eine Geste, die sie ungezählte Male ausführte, ohne dass sie es bemerkte. Das flache Silberstück beruhigte sie. Es verhinderte, dass sie aufgab und ihr Ziel aus den Augen verlor. Das Lederband, an dem der Anhänger hing, war abgewetzt und spröde, trotzdem hatte sie es noch nie ausgetauscht. Es war ihr heilig.
Ihr Blick glitt zurück zu den Rittern und dann zum Podium, wo in diesem Moment der Befehlshaber der Silberritter eine Rede über Ehre und Pflichterfüllung hielt. Die Menge lauschte andächtig. Ganz Lurness war hier versammelt, genauso wie die Familien der angehenden Ritter und Angehörige des nahen und fernen Adels. Es war die Amtseinsetzungvon siebzehn neuen Silberrittern, den besten Kämpfern Elvions. Siebzehn Männer und Frauen, die die Abschlussprüfung nach einer mehr oder minder langen Ausbildung überstanden hatten.
Marinel schüttelte den Kopf. Sie hielt es nicht mehr aus. Ohne ein Wort an Elrohir wandte sie sich ab und bahnte sich einen Weg aus der Menge. Es war mühsam, denn der Weg durch den Sand war äußerst beschwerlich für sie, und so hörte sie bereits das Ausrufen der einzelnen Namen, bevor sie davor fliehen konnte.
»Briella, Redwarin, Trival von Riniel, Grevande, Valuar von Valdoreen …«
Marinel kniff die Augen zusammen. Mühsam stieß sie den angehaltenen Atem aus, ehe es ihr gelang weiterzugehen.
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