Elfenmeer: Roman (German Edition)
scheinen die Piraten wieder einen Funken Vernunft angenommen zu haben, was gefährlich ist.«
»Also sind es diese drei?«, fragte Valuar. »Der Korallenfürst, der Feuerprinz und seine … Buhle?«
»Und ein Kobold.«
»Ein Kobold.«
»Ja, wenn ich es doch sage. Flosse nennen sie ihn, und er ist genauso verrückt wie die anderen und genauso magiebesessen.«
»Ein magiebesessener Kobold?«
Bei diesem Gedanken musste sogar Marinel schmunzeln, auch wenn sie es zu unterdrücken versuchte. Valuar sollte nicht glauben, sie lache mit ihm gemeinsam. Kobolde waren ihr nicht fremd. Lurness wimmelte nur so von ihnen, und besonders im Stall begegneten ihr häufiger welche. Sie waren meist grantige Gesellen, voller Ungeduld und von aufbrausendem Temperament – zumindest jene, die sie kannte.
»Kobolde verfügen ebenfalls über Magie«, erklärte Fürst Averon, als spräche er zu einem Kleinkind. »Sie mag anderer Art sein als die unsrige, und sie beziehen sie aus anderen Quellen, aber auch ihre Magie vermag den Verstand zu vernebeln, wofür Flosse das beste Beispiel ist. Es heißt, er bewahre sein Gold, das es ihm ermöglicht, sich unsichtbar zu machen, nichtnur auf, sondern er äße es. Meine Kapitäne berichten, dass er in der Lage ist, das ganze Schiff unsichtbar werden zu lassen.«
»Nun erzählt Ihr mir Märchen, Fürst Averon«, meinte Valuar lachend. Es erstaunte Marinel, mit welcher Respektlosigkeit dieser junge Ritter mit einem der ältesten Elfen dieser Welt sprach, doch als Fürstensohn konnte man sich wohl einiges erlauben.
»Keineswegs«, erwiderte Averon, ein wenig verschnupft über Valuars Worte. »Ihr werdet es noch selbst erleben. Erinnert Euch an meine Worte. Diesen Piraten muss das Handwerk gelegt werden, aber dazu braucht es besondere Waffen.«
Ardemir
Die Tür zum Sternensaal fiel mit einem Knall hinter ihm zu, und einen Moment lang vibrierte der Laut in der weitläufigen Halle nach. Die Stimmen von draußen waren ausgesperrt, all der Trubel, die Verwirrung, die Angst, und Ardemir war endlich allein.
Mit einem Stöhnen lehnte er sich gegen die Tür in seinem Rücken und presste sich die Hand gegen die Brust. Es fiel ihm schwer zu atmen, und jeder Muskel in seinem Körper schmerzte, als wäre er einmal durch ganz Elvion und wieder zurück gelaufen. Er kannte dieses Ziehen der Knochen, das Reißen der Sehnen und Heißerwerden des Blutes. Er kannte es zu gut und wusste, dass er dem Drang, sich in diesem Schmerz aufzulösen, nicht nachgeben durfte. Eine welterschütternde Aufregung war genug für einen Tag, da musste sich der Befehlshaber der Silberritter und Vetter der Königin nicht auch noch inmitten der Burg in einen Drachen verwandeln.
Meist fiel es ihm leicht, die wilde Bestie in seinem Inneren im Zaum zu halten, nur hin und wieder gab er ihr nach und flog des Nachts, wenn alles schlief, in die Ebene von Edora hinaus, um den Drachen zufriedenzustellen und zu zähmen. Manchmal folgten ihm auch andere, doch niemand sprach offen darüber. Manche Ritter, die einst von den Nebelpriestern mit Drachenblut und Magie vergiftet worden waren, hatten sich zurückgezogen, zwei hatten sich das Leben genommen,und die wenigen, die noch der Königin dienten, verhielten sich zurückhaltend. Gerüchte kursierten, doch in einem Land der Magie sahen die Bewohner stets irgendwelche Absonderlichkeiten, die sie sich nicht zu erklären vermochten. Das Gerede, dass Ardemir als Befehlshaber in der Lage sei, sich in einen Drachen zu verwandeln, verschaffte ihm Respekt, gleichzeitig war das Gerücht aber zu vage, um die Leute zu ängstigen. Also beließ Ardemir alles, wie es war, auch wenn er im Moment wünschte, den Drachen aus sich herausreißen zu können. In einer Ausnahmesituation wie dieser, wo ihn Schrecken und Schmerz gefangen hielten, hatte er das Gefühl zu zerbersten.
Er musste sich konzentrieren, ruhig atmen, und so heftete er seinen Blick auf die Karte Elvions zu seinen Füßen. Seine Stiefel verschwanden eine Handbreit im wabernden Boden und wurden von den Wolken über der Darstellung des Ozeans umspielt. Ein Stück weiter vorn war die Dracheninsel auf der Karte zu sehen und noch etwas weiter Lurness, der Ort, an dem er sich gerade befand. Einst hatte diese Karte nur das Schattenreich abgebildet, doch seit der Wiedervereinigung Elvions war auch der Westen des Landes in dieser verzauberten Halle zum Leben erwacht.
Die weißen Schlieren, die über Land und Wasser tanzten, beruhigten ihn, und allmählich
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