Elfennacht 01. Die siebte Tochter
schoss in einer strahlend blauen Feuerfontäne hinauf. Die Lichtsäule stieg höher und höher, fächerte sich auf und breitete sich rasch über den dunklen Himmel aus. Das Licht überflutete alles, vertrieb die Dunkelheit und badete die ganze Welt in herrliches Tageslicht.
Anita taumelte rückwärts und hielt sich schützend die Arme vor die Augen.
Ein Laut, der wie Gelächter klang, erhob sich um sie herum. Zunächst erscholl ein tiefes, polterndes Lachen, als würden Berge lachen, dann ein hohes, schrilles Lachen, das dem Schrei von Möwen glich. Daraufhin ertönte ein silbriges, vibrierendes Lachen wie Wassergeplätscher und anschließend ein rauschendes Lachen, dass klang wie der Wind in den Bäumen.
Während das Gelächter noch nachklang, schaute Anita sich um.
Die tristgraue Dämmerwelt hatte sich verwandelt: Nun stand die Sonne hoch oben am wolkenlosen blauen Himmel. Der Fluss strömte schnell dahin. Das Sonnenlicht brachte den roten Backstein des Palastes zum Glänzen. Im Wald glitzerten die smaragdgrünen, sanft raschelnden Blätter und man hörte Vogelgezwitscher. Die Sonne wärmte Anitas Gesicht und eine laue Brise zerzauste ihr das Haar.
Im Zentrum dieses neu erwachten Universums stand der Elfenkönig und lächelte Anita an, als wäre sie die Ursache dieses Strahlens.
»Wie hast du das gemacht?«, fragte sie überrascht.
»Ich bin Oberon«, sagte er, als würde das alles erklären.
Sie drehte sich langsam um die eigene Achse. Es war unglaublich. Jetzt glaubte sie bald selbst, dass sie sich im Elfenreich befand.
Gabriel stand hinter ihr. »Nicht nur der König hat das Licht wiedererweckt«, sagte er sanft. »Ihr, Mylady, seid das Herzstück dieses Wunders.«
»Und Ihr, Lord Drake, wart es, der meine Tochter zu mir zurückbrachtet«, sagte Oberon. »Dafür möchte ich Euch die größtmögliche Belohnung gewähren.«
Gabriel kniete vor ihm nieder. »Ich erbitte nur eines: Euer ergebenster Diener zu sein«, sagte er mit gesenktem Haupt. »Was ich getan habe, geschah nur Euch und dem ewigen Elfenreich zuliebe.«
Oberon trat vor und legte Gabriel die Hand auf den Kopf. »Das glaube ich Euch wohl«, sagte er, dann wurde sein Ton etwas schärfer. »Und aus Dankbarkeit werde ich nicht fragen, durch welche dunklen Künste Ihr meine Tochter zu mir zurückgebracht habt.«
Gabriel blickte den König an und Anita sah flüchtig Besorgnis in seinen silbergrauen Augen aufblitzen.
»Erhebt Euch, Lord Drake«, sagte Oberon. »In Anerkennung Eurer Dienste mir und dem Elfenreich gegenüber schenke ich Euch die Grafschaft Sinadon. Fortan seid ihr Großkanzler und sitzt im Rat zu meiner Rechten.«
»Eure Gnade ehrt mich und übertrifft meine kühnsten Träume«, sagte Gabriel leise, während er wieder aufstand.
»Und nun«, sagte Oberon an Anita gewandt, »beliebt es mir, mit meiner Tochter zu sprechen.« Laut rief er: »Wachen, schlagt die Tücher zurück und bringt Essen und Wein.«
Männer in taubenblauen Uniformen tauchten aus dem Schatten auf. Die schweren Vorhänge wurden aufgerollt und festgeschnürt, sodass das Sonnenlicht in die Kajüte hinten auf der Barkasse fluten konnte.
Oberon legte den Arm um Anitas Schultern und steuerte auf die Stühle unter die Markise zu. Er setzte sich auf den geschnitzten Holzsessel und bedeutete ihr, sich auf einen gepolsterten Hocker zu seinen Füßen zu setzen.
Gabriel folgte ihnen und stellte sich stumm hinter den Stuhl des Königs.
Anita kam es vor, als sehe der König sie eine Ewigkeit lang nur an. Langsam ließ die Aufregung über das, was da gerade geschehen war, nach und sie fühlte sich zunehmend unwohler. Sie warf einen Blick zu Gabriel hinauf, der sie beruhigend anlächelte.
Ein Diener stellte etwas Obst auf ein niedriges Tischchen neben sie. Ein anderer Diener brachte einen Krug mit dunkelrotem Fruchtwein und drei Kristallgläser. Auf ein Handzeichen des Königs hin schenkte der Diener ein, bevor er leise wieder davonschlich.
Oberon hob zwei Gläser und reichte eines davon Gabriel. »Auf deine Rückkehr, Prinzessin Tania«, sagte er. »Und auf das wiedergeborene Elfenreich.«
Anita nahm ihr Glas und die drei prosteten sich mit einem leisen Klirren zu.
Der Duft des Weins stieg ihr in die Nase. Er roch sehr fruchtig. Sie nippte. Der Wein schmeckte köstlich und lief ihr angenehm wärmend die Kehle hinunter.
Sie sah zum König hoch. »Und was kommt jetzt?«, fragte sie.
»Der Rest der Ewigkeit«, entgegnete er lächelnd. »Erinnerst du dich an das Lied,
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