Elfennacht 01. Die siebte Tochter
sah, wie eine der beiden Wachen durch den Korridor davonlief. Der andere Wachmann drehte sich um und schrie erschrocken auf, als er sie entdeckte.
»Es ist zurückgekehrt!«, rief er und schwang sein kristallenes Schwert. »Ich habe keine Angst vor dir«, schwor er. »Einerlei, ob du ein Dämon oder böser Geist bist, ich werde dich niederschlagen!«
Als das Kristallschwert gefährlich nahe kam, machte Tania wieder einen Schritt zur Seite.
Niedergeschlagen blickte Tania um sic h – sie war zurück im 21 . Jahrhundert. Das Schwert lag zu ihren Füßen und sie bückte sich danach.
»Ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll«, sagte sie verzweifelt und starrte die glänzende Metallklinge an. »Wie bekomme ich dich nur ins Elfenreich?«
Plötzlich huschte ein heller Lichtstrahl durch den Raum.
»Stehen bleiben!«
Tania fuhr herum. Das Licht blendete sie, doch schemenhaft nahm sie einen Mann in Uniform wahr.
»Bleiben Sie ruhig stehen, Miss, dann passiert Ihnen nichts.« Sie hörte das leise Klicken eines Walkie-Talkies. »Mike? Hier ist Gerry, ich bin oben in der Achtundvierzig. Hier ist ein Mädchen. Du rufst besser die Polizei.«
Tania hob den Arm, um ihre Augen vor dem grellen Licht zu schützen. »Nehmen sie doch bitte die Taschenlampe runter!«
Der Lichtstrahl wanderte zu ihren Kleidern hinunter. Tania sah den verwirrten Gesichtsausdruck des Mannes, als er ihre Elfenkleidung entdeckte. Als er die Schwertklinge bemerkte, befahl er barsch: »Legen Sie das hin, Miss. Machen Sie keine Dummheiten.«
»Das geht nicht«, sagte sie. »Es tut mir leid, aber das kann ich nicht tun.«
Sie wich zurück. Sie musste von ihm wegkommen und herausfinden, wie sie das Schwert mit ins Elfenreich nehmen konnte.
»Bleiben Sie stehen!«, sagte der Wachmann.
Doch sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte los.
»He! Stopp!«
Sie hielt das Schwert beim Laufen eng am Körper. Sie vernahm hastige Schritte hinter sich und der Lichtstrahl der Taschenlampe tanzte über die Wände, sodass ihr Schatten vor ihr auf den Boden fiel.
Der Wachmann rief in sein Walkie-Talkie. »Die Verdächtige nimmt Reißaus. Komm hoch, Gerr y – sie hat ein Schwert.«
Tania rannte wie wild durch die Zimmer, bis sie eine zickzackförmige Treppe erreichte. Sie stürmte hinab und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Unten angekommen gab es mehrere Fluchtmöglichkeiten. Der Wachmann war ihr immer noch auf den Fersen, seine Stiefel polterten auf den Stufen. Der Strahl der Taschenlampe flackerte wieder vor ihr auf.
Schwer atmend drückte Tania eine Flügeltür auf und gelangte in eine Art Vorhalle, geradeaus führten Türen mit Glasscheiben in einen Hof.
Tania rannte darauf zu und schob die Türen mit der Schulter au f – sofort schrillte der Alarm los. Tania stolperte auf eine quadratische Grasfläche hinaus. Ein großes Becken mit dunklem Wasser stand in der Hofmitte.
Diesen Ort kannte sie– sie hatte ihn schon mal gesehen. Aber wan n – und wo?
»Tania! Hierher!«
Der Zuruf kam so unerwartet, dass Tania zuerst dachte, sie hätte ihn sich nur eingebildet.
»Tania!«
»Eden?«
»Komm zum Licht!«, rief Eden wieder. Ihre Stimme schien zwar weit entfernt, war aber trotzdem klar und deutlich zu hören. Sie kam von der gegenüberliegenden Hofseite und Tania ging zögerlich einige Schritte auf das Wasserbecken zu.
»Welches Licht?«, rief Tania. »Ich kann nichts sehen!«
Hinter ihr flog krachend die Tür auf. Tania warf einen Blick über die Schulte r – die Wache war nur noch zehn Schritte entfernt.
Rasch lief sie über das Gras, umrundete das Becken und suchte Edens Licht.
Und dann sah sie es: ein schwaches farbiges Glühen unter einem überdachten Kreuzgang an der Wand.
»Schnell!«, drängte Eden sie.
Tania rannte auf den bunten Lichtkreis zu.
Jetzt wusste sie ganz genau, wo sie wa r – und auch, um welches Licht es sich handelte: Es war das Pirolglas, das Fenster in Edens Turm.
Tania sprang über einen niedrigen Maschendrahtzaun und flitzte unter den Kreuzgang. Das runde Fenster schimmerte jetzt hell vor ihr und durch die bunten Glasscheiben konnte sie das Gesicht ihrer Schwester erkennen.
Der Wachmann hinter ihr rief etwas. Er hatte sie fast erreicht, seine Finger streiften ihre Schulter.
»Hab ich dich!«
Verzweifelt riss Tania sich los und legte einen Endspurt hi n – das bunte Fenster vor sich fest im Blick. Sie rannte darauf zu, plötzlich spürte sie, dass sie durch die Luft flog und auf das Licht zusauste. Sie stürzte
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