Elfenschiffe (Mithgar 03)
haben…«
Während die Karavelle durch den Westonischen Ozean in Richtung Avagonmeer segelte, blieb Jinnarin bei Tage in der Kabine, aber in der Nacht streifte sie über das Deck und genoss den Salzgeruch der frischen Ozeanluft. In Schatten gehüllt, war sie für die Augen der Menschen meistens unsichtbar, obwohl das eine oder andere Besatzungsmitglied hin und wieder einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen konnte. Bei diesen Ausflügen wurde sie von Rux begleitet, und es dauerte nicht lange, bis der Fuchs sich mit dem gesamten Schiff vertraut gemacht hatte. Doch am Tage, wenn Jinnarin in Alamars Kabine eingesperrt war, jagte Rux normalerweise unter Deck Ratten. Und obwohl Rux keine Angst vor den Menschen an Bord hatte, machte er einen ebenso großen Bogen um sie wie sie um ihn, während sie einander doch ein wenig misstrauisch beäugten.
Wenn sie am Tag nicht schlief, verbrachte Jinnarin einen Großteil ihrer Zeit im Gespräch mit Alamar, denn der alte Magier war ein Ausbund an Wissen, wenn er nicht gerade ärgerlich oder verstimmt war.
Eines regnerischen Tages fragte Jinnarin: »Sagt mir, Alamar, was hat Drienne gemeint, als sie sagte, Ihr müsstet ganz schnell nach Vadaria?«
Alamar sah sie anklagend an. »Ihr habt eine private Unterhaltung belauscht?«
»Ach, nichts für ungut!«, gab Jinnarin zurück und sah nicht im Mindesten verlegen aus.
Eine Kühle jenseits des klammen Wetters erfüllte die Kabine, während Jinnarin ihren Bogen und ihre Pfeile überprüfte und Alamar an einem kleinen Tisch saß und arkane Symbole auf ein Blatt Papier malte.
»Ich tausche«, sagte er schließlich.
»Ihr tauscht?«
»Pysk, manchmal habe ich den Verdacht, dass Euch Euer Gehör im Stich lässt.«
Jinnarin biss sich auf die Unterlippe. »Und manchmal weiß ich ganz genau, Magier, dass Euch Eure Manieren abhanden gekommen sind!«
Wiederum legte sich eine eisige Stille über sie, während das Schiff über die Wellen schaukelte und sie hörten, wie der Bootsmann den Männern zurief, die Segel zu setzen. Schließlich fragte Jinnarin: »Was meint Ihr damit, Ihr tauscht? Was wollt Ihr wogegen tauschen?«
»Information gegen Information, Pysk. Was sonst?«
»Soll heißen…?«
»Ihr wollt wissen, warum Drienne mich gebeten hat, nach Vadaria zu gehen, und ich will wissen, was es mit diesen Pfeilen auf sich hat, welche die Fuchsreiter verschießen. Ich meine, ich möchte das Geheimnis lüften, wie so ein winziger Pfeil einen wilden Eber fällen kann.«
Jetzt funkelte Jinnarin Alamar an. »Jetzt wollt Ihr also die Geheimnisse der Verborgenen ergründen, wie?«
»Schwarzer Kessel, schwarze Kanne«, erwiderte Alamar.
»Was?«
»Gans und Ganter«, lautete die Antwort.
»Alamar, mir wäre lieber, Ihr hieltet Eure Zunge im Zaum, anstatt in Rätseln zu sprechen. Ich wollte lediglich wissen, was so wichtig daran ist, nach Vadaria zurückzukehren, aber dafür wollt Ihr die Geheimnisse der Fuchsreiter erfahren.«
»Ihr wollt die Geheimnisse der Magier erfahren, Pysk.«
»Oh. Tja, wenn es ein Geheimnis ist…«
»Nicht gerade ein Geheimnis, Jinnarin. Aber eben auch nicht allgemein bekannt.«
»Ob allgemein bekannt oder nicht, Alamar, ich tausche nicht. Sollte das Geheimnis der Fuchsreiterpfeile in die falschen Hände geraten…«
Alamar seufzte, und wieder senkte sich Schweigen über sie, während gleichzeitig ein Wolkenbruch auf das Schiff niederging. Doch schließlich sagte Alamar: »Der Grund ist folgender, Jinnarin. Das Wirken von Zaubern fordert einen schrecklichen Tribut: Jugend und Energie werden verbraucht, und je größer der Zauber, desto höher der Preis. Kleine Zauber wie magisches Licht, magische Sicht oder Feuermachen haben einen geringen Preis. Aber große Zauber – Gewitter erzeugen, Leben spenden und so weiter – fordern einen hohen Preis… es sei denn, man kann anderweitig Energie gewinnen, um das Gleichgewicht zu wahren.«
»Anderweitig?«
»Hauptsächlich durch schändliche Mittel«, antwortete Alamar. »Durch Opfer. Tod und Folter. Furcht. Durch alles, was eine Seele aufschreien lässt.«
Jinnarin schauderte vor Abscheu und verfiel ins Grübeln. Nach einer Weile fragte sie. »Was ist mit großer Freude, Alamar, oder mit Liebe? Erzeugt das nicht auch Energie?«
Alamars Lippen verzogen sich zu einem seltenen Lächeln. »Ach, ich muss sagen, Ihr würdet einen guten Gehilfen abgeben, Jinnarin.
Doch um Eure Frage zu beantworten: Ja. Freude. Liebe. Kummer. Hass. Alle großen Gefühle können die für
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