Elfenschiffe (Mithgar 03)
einen Zauber erforderliche Energie liefern. Aber in ihrer Abwesenheit verwelkt die Jugend des Wirkenden.
Hört gut zu: Mein Volk ist wie Eures – normalerweise bleiben wir vom Alter verschont. Trotzdem können wir alt werden… aber nur, wenn wir die uns innewohnenden Kräfte anwenden, um die Energien rings um uns zu beherrschen und zu formen, nur, wenn wir der Wirklichkeit eine andere Gestalt geben und die Welt verändern, nur, wenn wir das wirken, was andere Magie nennen, wenn wir zaubern… Wenn wir das nicht tun, bleiben wir ewig jung.«
»Aber warum hat Drienne Euch dann gedrängt, nach Vadaria zu gehen?«
»Wenn wir auf Vadaria auf eine bestimmte Weise ruhen, können wir uns von den Folgen der Zauberei erholen – wir können unsere Jugend zurückgewinnen.«
»Wenn Ihr nur Ruhe braucht, warum ruht Ihr nicht hier auf Mithgar?«
Alamar lächelte wieder. »Sehr gut, Jinnarin. Ihr würdet in der Tat einen guten Magier-Gehilfen abgeben, wenn Ihr die Gabe dazu hättet. Ihr habt wieder eine intelligente Frage gestellt, die eine Antwort verdient:
Auf Mithgar dauert es viele, viele Jahrhunderte, um sich von den Auswirkungen der Zauberei zu erholen, doch auf Vadaria nur ein Zehntel – nein! – ein Hundertstel dieser Zeit.«
»Ach so«, sagte Jinnarin. »Jetzt verstehe ich.«
Wiederum senkte sich Stille über die beiden. Doch diesmal war es Jinnarin, die wieder das Wort ergriff. »Zwei Dinge, Alamar:
Erstens, die Pfeile sind mit einer Paste überzogen, einer Mischung aus der Rinde eines gewissen Baumes, dem Saft einer gewissen Blume sowie einem bestimmten Gesteinsstaub. Mehr sage ich dazu nicht.
Zweitens habt Ihr angedeutet, dass mein Volk nicht die Kraft hat, Zauber zu wirken, aber ich sage Euch Folgendes: Unter den Verborgenen gibt es viele, die Magie wirken können und dies auch tun, und dazu zählen auch einige Fuchsreiter.«
Die Schwalbenfisch erreichte schließlich das Avagonmeer, und Kapitän Dalby hielt einen Ostnordost-Kurs bei vollen Segeln, sodass die Karavelle das Beste aus dem leichten Rückenwind machte. Das Wetter blieb die meiste Zeit anständig, obwohl es hin und wieder regnete. Das Schiff fuhr ohne Zwischenfälle durch die Straße von Kistan, obwohl der Ausguck einmal die kastanienfarbenen Segel eines kistanischen Piraten erspähte, was jedoch folgenlos blieb, und so segelten sie weiter in Richtung Arbalin.
In Alamars Kabine verkündete Jinnarin eines Tages: »Ich habe über die Frage des Bösen nachgedacht, und obwohl ich zu keinem endgültigen Urteil gelangen konnte, bin ich doch weiter gekommen.«
Alamar schaute von dem Papier auf, das er bekritzelte, und drehte seinen Stuhl dann so, dass er Jinnarin geradewegs ansah. »Nur zu, Jinnarin. Ich bin gespannt, was Ihr zu sagen habt.«
»Nun, Alamar, mein Eindruck ist der, dass vieles von dem, was ich für böse halte, sich daraus ergibt, dass jemand versucht, aus rein eigensüchtigen Gründen die Herrschaft über andere zu erlangen. Diese Herrschaft kann viele Formen annehmen, aber immer ist es eine Herrschaft, welche die Wünsche des Beherrschten außer Acht lässt. Im Extremfall könnte das Opfer sogar getötet werden, nur um die absolute Herrschaft unter Beweis zu stellen. Macht, Autorität, Herrschaft, Befehlsgewalt, Kontrolle, Gehorsam – alles nur zum Vergnügen dessen, der sie hat oder bekommt: Das sind wahrhaft böse Dinge.«
Alamar lächelte. »Lasst uns über diese Dinge reden, die Ihr genannt habt, Jinnarin: Macht, Autorität, Herrschaft, Kontrolle, Gehorsam. Sind das nicht die Vorrechte eines Königs oder sogar einer jeden Person mit Autorität?«
»Ja, Alamar, das sind sie. Doch ein König sollte sie mit großer Umsicht ausüben und dabei immer das Wohl seiner Untertanen vor Augen haben. Wenn er seine Macht nur zu seinem eigenen Nutzen einsetzt, dann ist er böse, würde ich sagen.«
»Hm«, sann der Magier. »Was ist mit, sagen wir, dem Leitwolf in einem Rudel – ist dieser nicht böse? Schließlich zwingt er den anderen Wölfen seinen Willen auf.«
Jinnarin schüttelte verneinend den Kopf. »Aber das tut er nicht zu seinem Vergnügen. Vielmehr führt er das Rudel, um dessen Fortbestand zu sichern. Die Tatsache, dass er das Leittier ist, macht ihn noch nicht böse. In diesem Fall bedeutet es lediglich, dass er der beste Anführer ist.«
»Was ist mit Lügnern, Betrügern, Dieben?«
»Alamar, ich würde sagen, dass es verschiedene Abstufungen des Bösen gibt. Manche Dinge sind schlimmer als andere. Lügen, Betrügen,
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