Elfenschiffe (Mithgar 03)
schliefen.
»Ja, Vater, ich weiß«, erwiderte Aylis mit sanfter Stimme.
»Ich aber nicht«, sagte Jinnarin schnippisch. »Ich weiß ganz und gar nicht, was es bedeutet.«
»Es bedeutet, Pysk«, murmelte Alamar, »dass irgendwo irgendein Magier Aylis’ Zauber blockiert und die Vorgänge vor ihr und ihrer Magie zu verbergen sucht.«
Jinnarin hob die Hände in einer Geste der Hilflosigkeit. »Warum sollte jemand ihre Zauber blockieren?«
Aylis beugte sich auf ihrem Stuhl vor. »Ich glaube nicht, dass nur meine Versuche blockiert werden, sondern vielmehr alle Magie abgewehrt wird.«
Jinnarin wandte sich an Aylis. »Trotzdem: Warum?«
Aylis zuckte die Achseln. »Es gibt alle möglichen Gründe, etwas vor Erkennungszaubern abzuschirmen, aber alle laufen darauf hinaus, dass eine oder mehrere Personen ihre Privatsphäre schützen wollen.«
»Liebende zum Beispiel?« Aravans saphirblaue Augen schauten in Aylis’ smaragdgrüne, und sie nickte ein wenig fassungslos, da ihre Wangen sich wieder röteten.
Jinnarins Stimme störte Aylis’ versunkenes Schweigen. »Abgesehen von Liebenden. Wer noch?«
Aylis zählte einige auf. »Kaufleute, Generäle, Geizhälse, Alchimisten, Köche« – sie drehte die Handflächen nach oben – »jeder, der ein Geheimnis wahren will. Ihr braucht nun aber nicht anzunehmen, dass ich und meinesgleichen unsere Zeit damit verbringen, in den Privatangelegenheiten anderer herumzuschnüffeln, nein, nein. Das wäre äußerst unmoralisch. Außerdem bedarf es erheblicher Macht, Einzelheiten durch Zeit oder Raum oder gar beides zu sehen, also muss es eine Notwendigkeit geben, um den Aufwand solcher Zauber zu rechtfertigen… Es ist übrigens viel leichter, etwas zu verbergen als danach zu suchen.«
Alamar strich sich bedächtig über den Bart. »Und der Preis für das Durchbrechen dieser Abschirmung…?«
»Vater, diese Abschirmung ist über alle Maßen stark. Ich würde meinen, dass ich sie gar nicht durchbrechen kann.«
»Woher wisst Ihr dann aber, Lady Aylis«, fragte Aravan, »dass Gefahr droht?«
Aylis entnahm einem Beutel an ihrer Hüfte ein kleines Holzkästchen. »Weil ich mehrere einfache Bilder gelegt habe.« Das Kästchen bestand aus Sandelholz und war mit einer kleinen goldenen Schließe gesichert. Aylis öffnete sie und hob den Deckel. Im Inneren des Kästchens befand sich ein schwarzes Seidentuch, das um einen Satz Karten gewickelt war.
»Ihr benutzt Karten?«, entfuhr es Jinnarin.
»Manchmal, meine Kleine«, antwortete Aylis, »aber vor allem, wenn ich anderen zeigen will, was ich gesehen habe.« Sie nahm das Spiel und mischte die Karten, und beim letzten Mischvorgang murmelte sie: »Simplicia, propinqua futura: Aylis.« Sie legte das Spiel vor sich auf den Tisch, fächerte die Karten auseinander, wählte willkürlich eine Karte aus und drehte sie um. Sie zeigte einen Turm, der vom Blitz getroffen wurde und förmlich auseinander flog, während eine Person von der mit Zinnen bewehrten Spitze stürzte. Aylis sah die anderen an.
»Was bedeutet das?«, fragte Jinnarin.
Alamar antwortete. »Eine Katastrophe.«
Aravan streckte die Hand zur Karte aus, nahm sie und sagte dabei: »Eine Karte macht noch keine Zukunft.«
Aylis legte die Karten zusammen und gab sie Aravan. »Kapitän Aravan, mischt Ihr und wählt eine Karte.«
Aravan musterte sie mit einer hochgezogener Augenbraue und schob die einzelne Karte zurück in den Stapel. Dann mischte er, während Aylis murmelte: »Simplicia, propinqua futura: Aravan.« Schließlich fächerte Aravan die Karten auf und zog eine…
Jinnarin rief überrascht. »Der Turm!«
Aravan nahm langsam eine der Endkarten und hob damit den ausgebreiteten Kartenfächer so an, dass alle Karten umgedreht wurden und ihre Bildseite zu sehen war. Eine Vielzahl von Illustrationen kam zum Vorschein – Leute, Orte und Tiere, Sonne, Mond und Sterne… und noch viel mehr. Jede Karte war anders, manche Bilder gewöhnlich, andere arkaner Natur.
Aylis sah Aravan an, und ihre grünen Augen funkelten. »Dachtet Ihr, es wären alles Türme?«
Aravan lächelte sie an. »Mylady, würdet Ihr selbst nicht auch zunächst alle betrachten, bevor Ihr Euch überlegt, welches Rätsel sich dahinter verbergen könnte?«
Aylis erwiderte sein Lächeln. »Vielleicht sollte man manche Dinge einfach so nehmen, wie sie sind, Kapitän.«
»Vielleicht«, erwiderte Aravan, während sein Grinsen breiter wurde, und sich sein Blick in ihren Augen verlor.
Alamar wandte sich an Jinnarin.
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