Elfenschiffe (Mithgar 03)
»Solange diese beiden einander mit den Augen verschlingen, Pysk, wollt Ihr es nicht einmal versuchen?«
Jinnarin atmete scharf ein. »O nein, Alamar. Ich bin viel zu klein, um diese Karten zu mischen.«
Der Magier nahm das Spiel und fing an zu mischen. »Dann will ich mal nachsehen, was sie mir zu sagen haben… Tochter. Aylis!«
Aylis fuhr zusammen, dann wandte sie sich von Aravans Lächeln ab und der gerunzelten Stirn ihres Vaters zu. Sie sammelte sich und flüsterte: »Simplicia, propinqua futura: Alamar.«
Der Magier legte das Spiel auf den Tisch und fächerte die Karten auseinander. Seine rechte Hand wanderte mit ausgestrecktem Zeigefinger über die Karten und berührte hier eine Karte und da eine andere. Schließlich zog er eine Karte ganz behutsam und verdeckt aus dem Fächer, bis sie abseits lag, dann hob er den Kopf und sah Aylis an. Und dann schoss seine Hand zurück zum Kartenfächer, um eine ganz andere Karte auszuwählen, die er auch umdrehte.
Es war wieder der Turm.
»Verwünscht!«, fauchte der Alte. »Ich dachte, ich könnte sie täuschen.«
Er streckte beiläufig die Hand aus und drehte die Karte um, die er zuvor ausgesondert hatte. Jinnarin unterdrückte einen Aufschrei, und Aylis wurde blass, denn das Bild der Karte zeigte das Skelett eines Menschen.
11. Kapitel
VIELE FRAGEN
Herbst, 1E9574
[Die Gegenwart]
Die Eroean pflügte in nordwestlicher Richtung durch die dunkelblauen Fluten des Westonischen Ozeans. Alle Segel waren gesetzt, und der Wind wehte frisch und trieb das Schiff mit guter Fahrt voran. Sie war zu einem Land unterwegs, das noch gut fünftausend Meilen entfernt war, obwohl das Elfenschiff bei Gegenwind kreuzen und dadurch noch einmal die Hälfte dieser Entfernung hinzugerechnet werden musste. Aber die Eroean war ein schnelles Schiff, und bei günstigem Wind würde sie nur vier bis sechs Wochen für die Überfahrt benötigen.
Jinnarin seufzte. »Vier bis sechs Wochen. Ich wollte, wir könnten schneller segeln.«
Sie und Jatu saßen mit Rux zwischen sich auf der Treppe zum Achterdeck hinter den Heckkabinen. Die Abenddämmerung war hereingebrochen, der rasch die Nacht folgte. In der zunehmenden Dunkelheit sah Jatu die winzige Pysk an und sagte: »Lady Jinnarin, bei einem stetigen Rückenwind würden wir die Überfahrt in zwei Wochen schaffen, vielleicht sogar in zehn Tagen. Aber das ist nicht der Fall, weil der Wind sich nicht nach unseren Wünschen richtet… das heißt, er richtet sich nicht nach meinen Wünschen, aber vielleicht würde er Meister Alamar gehorchen.«
Jinnarin schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Jatu. Alamar hat mir einmal erklärt, es sei große Macht erforderlich, um den Wind anzurufen und einen Sturm zu entfachen.«
Jatu räusperte sich – ein tiefes Grollen – und sagte dann: »Nicht einmal die Jujubas von Tchanga, die von sich behaupten, sehr mächtig zu sein, beherrschen Wettermagie… obwohl die Jujubas manchmal die Götter anrufen und um Regen bitten, wenn es lange Zeit trocken war – so trocken, dass die Seen nur noch Senken voller Staub sind. Das Land ist rissig, und die Bäume und Büsche und Gräser und Ranken sind verdorrt und wie Zunder, der auf einen Zündfunken wartet.«
»Und werden ihre Gebete erhört, Jatu?«
Der schwarzhäutige Mensch lachte. »Manchmal, meine Kleine. Manchmal. Und manchmal bringen die Götter mehr Regen als gewünscht.«
»Dann müssen sich diese Götter sehr von meinen unterscheiden, Jatu, denn Adon und Elwydd antworten nur selten – wenn überhaupt, wie groß die Not auch sein mag.«
Stille kehrte zwischen ihnen ein, und Jatu machte sich daran, Rux zu streicheln und zwischen den Ohren zu kraulen, wobei der Fuchs vor Wohlbehagen die Augen schloss. Schließlich sagte Jatu: »Vielleicht antworten die Götter der Tchangarer auch nicht. Vielleicht regnet es einfach, und die Jujubas heimsen die Lorbeeren dafür ein… oder geben den Göttern die Schuld, wenn der Regen zu heftig ausfällt.«
Wiederum schwiegen beide einen Moment. Die Sichel des Halbmonds stand über ihnen am Himmel. Jinnarin schaute zu den funkelnden Sternen empor. Nach einer Weile sagte sie: »Glaubt Ihr, dass die Verehrung der Götter oft so ist, Jatu? Ich meine, dass Priester die guten Dinge für sich in Anspruch nehmen und sagen, ihre Gebete seien erhört worden, während sie die schlechten dem Tun eines böswilligen, rachsüchtigen Gottes zuschreiben?«
Jatu knurrte zustimmend. »In meinem Dorf, Lady Jinnarin, behauptete unser
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