Elfenschiffe (Mithgar 03)
Leben aufzugeben?«
»Vielleicht, Jinnarin. Vielleicht.« Aylis lächelte, denn die Überlegungen der Pysk gingen in dieselbe Richtung wie ihre. »Doch wenn es so ist, dann hat die Frage, wie lange jemand gelebt hat – die Zahl der erlebten Jahre –, wenig damit zu tun, alt zu sein. Lebensalter allein ist nicht dafür verantwortlich. Vielmehr ist es die Einstellung, das Interesse am Leben?«
Jinnarin zuckte die Achseln. »Vielleicht.« Sie betrachtete ihre Hände. »Ich habe wie lange gelebt? Hm… mehrere tausend Jahre, doch es kommt mir so vor, als hätte ich immer so empfunden wie jetzt. Meine Einstellung zum Leben war immer gleich. Ich frage mich, ob das für Sterbliche anders ist?«
Aylis schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Jinnarin. Aber was Ihr über Euch sagt, trifft auch für mich zu: Auch mir kommt es so vor, als sei meine Einstellung zum Leben schon immer so gewesen wie jetzt. Vielleicht ist es für Sterbliche genauso… zumindest für einige, denn auch die Sterblichen sind nicht alle gleich. Vielleicht sehen sich viele im Alter noch genauso wie in ihrer Jugend. Andererseits könnten aber auch Gebrechen die Einstellung ändern und zu Verbitterung und vorzeitiger Alterung führen. Mein Vater ist jedenfalls gebrechlich… und mürrisch… ganz anders als er sein wird, wenn er seine Jugend wiederhat.«
Jinnarin legte die Hände zusammen, sodass die Fingerspitzen aneinander lagen. »Ist es die Unvermeidlichkeit des Todes, die Sterbliche altern lässt, oder ist es der Alterungsprozess, der den Tod unvermeidlich macht?«
Aylis zuckte die Achseln. »Das kann ich nicht sagen, denn obwohl ich altere – was bedeutet, dass ich allmählich älter werde, da ich beim Zaubern Energie verliere –, kann ich meine verbrauchte Jugend zurückgewinnen. Daher weiß ich nicht, was für die Sterblichkeit verantwortlich ist, denn ich bin nicht sterblich.«
Jinnarin kratzte sich an der Stirn. »Das ist keiner von uns… Vielleicht werden wir es nie erfahren.«
Es klopfte leise an die Kabinentür. Aylis öffnete und fand Aravan dort vor. Der Elf sah die Pysk. »Oh. Ich wollte nicht stören…«
Jinnarin erhob sich, reckte sich und gähnte. »Das ist keine Störung, Aravan. Ich wollte gerade sagen, dass für mich Schlafenszeit ist.«
Während Jinnarin auf den Stuhl und dann auf den Boden sprang, sagte Aravan. »Hättet Ihr in dem Fall Lust, etwas frische Luft mit mir zu schnappen, Aylis?«
Aylis ging in die Kabine, um ihren Mantel zu holen, und Jinnarin lächelte bei sich, während sie zur Kenntnis nahm, dass sich an der Stelle, wo Aravan stand, sein Schatten in der Dunkelheit des Ganges verlor. Tatsächlich, ich glaube, dass Jatu Recht hatte. Der Kapitän verliert seinen Schatten an Lady Aylis.
Das ankernde Schiff hob und senkte sich langsam im Rhythmus der Wellen. Aylis und Aravan schlenderten über das Hauptdeck, während eine einsame Laterne im Heck Licht spendete. Der Himmel war immer noch bewölkt, und weder Mond noch Sterne schienen auf sie herab. Ein kühler Wind wehte über das Schiff, doch weder Aylis noch Aravan schienen ihn in der tröstlichen Gegenwart des anderen zur Kenntnis zu nehmen. Sie blieben stehen, stützten sich auf die vordere Reling und betrachteten die düstere Silhouette Rwns, die sich nicht weit entfernt vor dem dunklen Himmel abzeichnete. Von irgendwo unter ihnen drangen der Klang einer Harmonika und der Gesang von Männern ebenso wie das rhythmische Schlagen auf Schilde zu ihnen empor, das den fröhlichen Takt der Musik vorgab. Gelächter war zu hören, als das Lied endete, und kurz darauf begann ein neues. »Ihr habt eine gute Mannschaft, Aravan.«
»Aye. In jeder Beziehung dieses Schiffes würdig.« Elf und Seherin hörten zu, wie der Refrain von allen mitgesungen wurde, bevor der Gesang wieder leiser wurde.
Aylis wandte sich an Aravan. »Ich muss Euch etwas fragen.« Plötzlich hatte sie starkes Herzklopfen.
Aravan richtete sich von der Reling auf, wandte sich ihr zu und wartete.
»Als Ontah, als ich…« Sie holte tief Luft und begann noch einmal von vorn. »Als ich aus meinem letzten Traumwandeln aufgewacht bin, habt Ihr mich mit einem elfischen Wort angesprochen…«
»Chieran«, sagte Aravan, dessen Augen im Schatten lagen. »Was bedeutet das?«
Aravan nahm sie bei der Hand. »Es bedeutet meine Liebste.« Aylis’ Herz raste bei diesen Worten. »Chieran?« Aravan führte ihre Hand an seinen Mund und küsste die Innenseite. »Meine Liebste.« Er legte ihre Hand auf
Weitere Kostenlose Bücher