Elfenschwestern
Kate in helles und in dunkles Haar.
Gray betrachtete die drei Fairchilds mit einem wehmütigen Ausdruck.
Nach einem kleinen Seufzer und einem halben Lachen sagte Kate zu ihm: „Ich finde ja, unsere Töchter klingen nach Revolutionärinnen.“
Die Schwestern tauschten einen verschwörerischen Blick.
Das war ziemlich nah an der Wahrheit, dachte Lily. Denn aus dem Untergrund, aus der zweiten Reihe, immer schützend dicht hinter Grayson stehend, würden sie beide den Duke bekämpfen. Mindestens so lange, bis diese Vormundschaftssache geklärt war. Oder für immer.
Lily straffte die Schultern und atmete tief ein. „Mum? Dad? Wir werden auf einem Ball erwartet. Wir haben mit den Yorks eine Art Waffenstillstand geschlossen, wisst ihr.“ Sie sah ihre Schwester vielsagend an. Kein Wort über das Warum!, warnte sie Rose stumm. Kein Wort über den Erpressungsversuch des Dukes. Kate würde ausflippen.
Rose nickte kaum merklich. Sie trat zu Emmas Bett, auf dem ausgebreitet drei weiße Ballroben lagen, und raffte einen Armvoll Tüll zusammen. „Mum“, fragte sie, „willst du mir vielleicht mit meinem Kleid helfen? Ich schaffe es nicht allein.“
Und zumindest der letzte Satz klang vollkommen ehrlich.
27
O let me kiss this princess of pure white. ~ O lass mich diese Prinzessin von reinem Weiß küssen!
Kurz vor Ballbeginn hörte es auf zu schneien. Makellos weiß ruhten die Rasenflächen hinter Englefield Park im Mondlicht. Still und schwarz lag der See.
Man könnte meinen, die Welt ist ein friedlicher Ort, dachte Lily, die am Fenster lehnte und in die Nacht starrte. Was für ein Irrtum.
Rose trat neben sie. Ihr schwarzes, glänzendes Haar war in der Mitte gescheitelt und im Nacken zu einem eleganten Knoten geschlungen. Weiße Rosenknospen steckten darin. Ihre spitzen Ohren teilten die Haarsträhnen und schimmerten im Kerzenlicht.
„Schwarz wie Ebenholz, weiß wie Schnee“, murmelte Lily. „Du bist schön, große Schwester.“
Rose legte einen bloßen Arm um Lilys Taille. Der Tüll ihres Rockes raschelte, als sie sich bewegte. Sie duftete nach den wilden Rosen, deren Namen sie trug.
„Heute muss ich schön sein“, erklärte Rose. „Ich brauche einen Panzer. Sonst halte ich das nicht aus. Sonst bin ich nicht stark genug.“
Ausgerechnet Rose war nervös. Lily spürte, wie das Flattern in ihrer Magengrube zurückkehrte.
„Wir schaffen das“, sagte sie. Und versuchte dann, sich selbst zu glauben.
Rose musterte sie mit unergründlichen Veilchenaugen. „Ich denke“, verkündete sie, „wir stecken dein Haar doch hoch. Das ist passender, weniger mädchenhaft. Setz dich hin.“ Sie zog ihre Schwester zu Emmas Toilettentisch.
Lily sank auf den gepolsterten Schemel, sodass sich der kühle Seidenstoff ihres Kleides in breiten Falten um sie herumlegte. Rose begann Locke für Locke auf Lilys Hinterkopf zu befestigen, bis das goldene Haar in weichen Wellen Lilys Gesicht umrahmte und den langen Hals bloß liegen ließ.
Lily starrte ihr Spiegelbild an. Wer war diese Person mit dem herausfordernden Blick?
„Die Lilie heften wir dir ans Kleid“, erklärte Rose.
Lilys Kleid würde auffallen. Die Debütantinnen trugen traditionell bodenlange Roben und setzten dabei häufig auf Tüll und Taft und den Prinzessinnenmoment. Lily nicht. Sie war in einen Traum aus weicher weißer Seide gehüllt, mit langer Taille und fließendem Rock. Für ein Funkeln sorgten die mit winzigen Kristallen bestickten, gefältelten Chiffonträger, die sich im Rücken und über dem Dekolleté erst weit unten trafen. Lily fand sich schockierend erwachsen in diesem Aufzug.
Aber für heute Abend ist das genau das Richtige, dachte sie. Was hat Rose gesagt? Sie braucht einen Panzer? Ich auch. Ich werde mich hinter dieser erwachsenen Lily verstecken.
Als Rose eine Nadel erst durch den Blütenstiel und dann durch den Stoff über Lilys linkem Schlüsselbein stieß, bebten ihre Hände. Lily spürte das Metall an ihrer Haut kratzen.
Rose trat zurück und begutachtete ihr Werk. „Es ist gut, dass du nicht lächelst. Das ist geheimnisvoll. Bleib so.“
„Das ist nicht schwer“, sagte Lily trocken.
„Er muss dir verfallen. Dich muss Alistair wollen, nur dich.“ Roses Stimme wurde rau. „Dich ganz allein.“
Lily fing den Blick ihrer Schwester im Spiegel ein. Bernsteinaugen bohrten sich in Veilchenaugen. „Sag mir die Wahrheit, Rosie. Alistair gefällt dir, oder? So richtig!“
Rose hob hilflos die Achseln. „Er hätte mir gefallen
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