Elfenschwestern
aufmerksam zugehört hatte. „Ich hatte keine Ahnung. Und was war mit diesem jungen Fey im Bibliothekshof?“
„Er hat mir das Leben gerettet“, sagte Lily schlicht.
T. W. Webber nickte nachdenklich. „Wenn du sagst, du hast Herbstwald gerochen, hast du das dann tatsächlich oder erinnert dich der Geruch einfach nur daran?“, fragte er. „Also hat jemand, ich weiß nicht, Erde in die Wohnung getragen, weil er wirklich in einem Wald war? Oder nicht?“
Rose wölbte vor Erstaunen die geraden dunklen Brauen. Ihre Lippen formten ein lautloses „Wow!“.
Lily musste ihr Recht geben. So genau hatte noch nie jemand nachgefragt. Nicht einmal Grayson.
„Mal so, mal so“, gab sie zu. „Es kann schon sein, dass ich einen Geruch manchmal einfach mit einem Begriff beschreibe, der mir passend erscheint. Dieser junge Fey zum Beispiel erinnerte mich an eine mondklare Nacht. Aber natürlich konnte ich nicht den Mondschein an ihm riechen, nein, eher dass es nicht die Sonne war, sondern die Jagd zwischen kahlen Kiefern bei Nacht, die ihn in letzter Zeit zum Schwitzen brachte.“ Sie brach ab, verwirrt von der Szene, die sie deutlich vor ihrem inneren Auge sah, und von dem Wunsch, dabei sein zu können, das Mondlicht auf ihrer Haut zu spüren, zu fühlen, wie das Blut in ihren Adern pulsierte und ein anderer Atem, sein Atem, ihren bloßen Nacken traf. „Jedenfalls bedeutet Herbstwald in diesem Fall wirklich Herbstwald“, schloss sie abrupt.
„In Ordnung. Das könnte vielleicht hilfreich sein.“ T. W. Webber blickte nachdenklich auf eine seiner gerahmten Landkarten. Wenn Lily es richtig erkannte, zeigte sie Großbritannien und Irland, nur dass die Grenzen ganz anders verliefen als heute. „Ja, ich glaube tatsächlich, damit können wir etwas anfangen.“
Gut, dachte Lily erleichtert, wenigstens etwas. „Und was unternehmen Sie jetzt?“
Er stand auf. Trotz seiner hängenden Schultern wirkte er entschlossen und vertrauenerweckend. „Ich gehe der Spur nach, auf die du mich gerade gesetzt hast. Und ihr kehrt zurück zu Kate, würde ich empfehlen, und erzählt ihr, dass ihr bei mir wart. Dann nehmt ihr, am besten ausgestattet mit sämtlichen Schutzzaubern, die ihr oder eure Mutter zur Verfügung habt, den nächsten Zug nach Hause. Und bleibt da! Solange ihr das tut, ist alles gut. Am besten wäre es sogar, ihr meldetet euch krank und bliebet in eurem Cottage, bis Kate oder ich Entwarnung geben.“
„Ehrlich?“ Rose grinste schwach. „Wie findest du das, Lily? Ein Lehrer, der uns aufträgt zu schwänzen.“
Lily runzelte die Stirn. „Warum sollte es bei uns zu Hause sicherer sein als hier?“
„Fragt eure Mutter“, sagte Webber. „Ich weiß nicht, was sie getan hat, aber irgendetwas war es. Oder seid ihr in eurem Leben schon mal von Fey belästigt worden?“
Niemals, dachte Lily beklommen. Genau darüber hatte sie sich doch gerade erst vergangene Nacht gewundert. „Vielleicht sind diese Pixies einfach besonders stark?“, wagte sie eine Vermutung. „Oder klug? Sie haben das eine, nicht schließende Fenster gefunden, haben mir unter freiem Himmel aufgelauert und sich sogar mitten in eine Menschenmenge gewagt. Sie haben unseren Zug verfolgt, unser Taxi, sie haben mich noch überall gefunden! Ich hoffe zwar, dass dies hier helfen wird.“ Sie hielt die eherne Wildrose hoch. „Aber wer weiß?“
Webber sah noch besorgter aus als zuvor. „Vielleicht“, sagte er zögernd. „Ja, vielleicht könnte ich Jolyon mit euch schicken. Er würde sicherlich …“
„Jolyon?“ Dieser gleichermaßen erstaunte wie empörte Ausruf war von Rose gekommen. „Warum? Weil er ein Mann ist? Meinen Sie etwa, dass er deshalb mit diesen Mistpixies besser zurechtkommt als wir?“
Webber wirkte, als sei ihm unbehaglich zumute. „Ich möchte hier nicht eurem Sinn für Gleichberechtigung im Weg stehen. Aber Mr Wilde ist groß und kräftig …“
Rose rollte mit den Augen. „Ja, er ist ein ganz toller Typ. Aber dafür kann ich richtig gemein sein!“
Webber seufzte. „War das ein Nein?“
„War es.“ Rose schnappte sich ihre Tasche. Dann, als fiele ihr etwas ein, schnellte sie zu Lily herum. „Oder?“
Lily wurde rot. Schon wieder. „Sicher.“ Sie stand auf und griff sich ebenfalls ihr Zeug. Im Türrahmen drehte sie sich noch einmal um. „Mr Webber? Was wollen die Fey von Gray?“
Lily dachte, sie könnte ihn vielleicht überrumpeln. Aber wie es aussah, ließ ein T. W. Webber das nicht so einfach zu. Er
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