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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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wollte, dass er sie auch mochte.
    Er hat eine Freundin, schimpfte sie sich. Denk daran. Oder denk an Gray! Gray, Gray, Gray!
    Sie drückte den grünen Knopf. Es klingelte. Beim zweiten Mal dachte sie: Wie lange kann man es schellen lassen, bevor es peinlich wird? Beim dritten Mal wollte sie auflegen. Kurz vor dem vierten Mal ging er dran.
    „Hallo?“
    Er hörte sich sogar stark und entschlossen an. Atmen, Lily, atmen! Und sprechen: „Jolyon“, sagte sie.
    „Tigermädchen!“, rief er, klang plötzlich ganz anders. Sanfter. Dringlicher. Besorgt? „Geht es dir gut? Ist was passiert?“
    „Nein. Also ja, mir geht’s gut. Ich …“ Was? Brauche deine Hilfe? Muss dich sehen? Das ging alles überhaupt gar nicht. „Jol“, sagte sie entschlossen, „kannst du kommen? Ich bin vor der Historikerbib.“
    „Gib mir zehn Minuten.“
    Er brauchte fünf.
    Lily hatte gerade entschieden, dass es nicht anging, wenn er sie hier nervös auf und ab wandern sah, und sich auf eines der hohen Fensterbretter geschwungen, wo sie ihre zitternden Hände um das Holz krallen konnte und ihre vor Unruhe zuckenden Beine einfach auf Knöchelhöhe überkreuzen, da flog die Tür am Ende des Flurs auf.
    Jolyon Wilde bog um die Ecke. Ohne Mantel, nur in Jeans und blauem Kapuzenpulli, die dunklen Wangen gerötet von seinem Sprint durch die Kälte. Ihre Blicke trafen sich. Und Lily war sicher, dass ihr Herz für einen Moment aus dem Takt geriet. Sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte, also schaute sie vor sich auf den Boden. Scheußlicher Teppich. War der grün oder grau? Die persischen Läufer im Treppenhaus waren viel hübscher.
    Seine Boots erschienen in ihrem Blickfeld, erst der eine, dann der andere, mit lose darin steckendem Jeansbein. Er legte seine Hände links und rechts von ihr auf das Fensterbrett, ganz nah neben ihre.
    „Tigermädchen“, sagte Jolyon.
    Dieses Mal hörte sie seine Stimme nicht nur, sie spürte sie auch. Sie vibrierte in der ganzen Lily nach wie eine angeschlagene Gitarrensaite. Oh Gott, dachte Lily gequält. Sie wäre gerne auf der Stelle in Ohnmacht gesunken. Stattdessen schaute sie auf.
    Stahlblaue Augen, tiefdunkles Wolfshaar und ein blendendes Lächeln.
    Lily krallte die Finger noch fester um das Fensterbrett, sonst hätte sie nach ihm gegriffen.
    „Dir geht es gut.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Jolyon trat näher. Dass das überhaupt möglich war, sie spürte doch jetzt schon die Hitze seines Körpers und atmete seinen Salz-und-Wolle-Duft ein.
    „Tigermädchen“, murmelte er in ihr linkes Ohr. „Es ist schön, dich mal ohne neue Verletzungen zu sehen. Nicht von einem Dachrand hängend oder vor einem heranrasenden Auto liegend. Sondern einfach so hübsch und sicher an diesem netten, stillen Ort.“ Er zog den Kopf ein wenig zurück. Als seine Lippen dabei ihre Wange streiften, schauderte Lily. Sie spürte sein Lächeln, und dann, als er zwei Finger unter ihr Kinn legte und sie sanft zwang, ihn anzuschauen, sah sie es auch.
    Wenn sie nicht gesessen hätte, wäre sie gefallen.
    Er näherte sein Gesicht ihrem. Sie schloss die Augen.
    „Tigermädchen“, sagte er langsam und bei jeder Silbe berührten seine Lippen ihre. Wie Schmetterlingsflügelschläge, dachte Lily benommen. Wird er jetzt …
    Er tat es. Er küsste sie.
    Jetzt, dachte sie, jetzt werde ich aber ohnmächtig.
    Dicht an ihrem Mund lachte er leise. „Das wollte ich schon tun, als du mich das erste Mal angefaucht hast“, murmelte er. „Zerzaust, zerschrammt, aber bereit, mich in Stücke zu reißen. Hinreißend.“
    Lily öffnete den Mund, um zu antworten, als er sie wieder küsste. Dieses Mal teilten seine Lippen ihre. Und da dachte sie: Stopp! Sie sagte es auch, man konnte es nur nicht verstehen.
    Er hob den Kopf. „Hm?“
    Sie holte Luft. „Wer ist Heather?“
    Er blinzelte.
    „Ich hätte nichts gesagt, wenn du mich jetzt nicht …“, sie stoppte sich selbst. „Ich meine, ich hätte gar nicht das Recht dazu gehabt, aber nun … Also nicht, dass es mich interessieren würde, das heißt, eigentlich tut es das doch. Egal, ich finde, du schuldest mir eine Erklärung.“
    „Lily“, sagte er und, Lily schmerzte es das zu hören, dieses Timbre, das ihr Innerstes zum Schwingen brachte, war aus seiner Stimme verschwunden. „Wovon redest du?“
    Lily schloss kurz die Augen, schottete sich ab. Von nichts, dachte sie, ich rede von gar nichts. Ich halte es nicht aus, wenn du mich belügst. Und ich halte es nicht aus, wenn

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