Elfenschwestern
Für wen steht die weiße Rose?“
„Für das Haus der Yorks“, sagte Webber leise.
„Deswegen wollen die Chronisten bei jedem York jemanden einschleusen.“ Lily verstand. „Weil sie denken, dass Gray dort irgendwo ist.“
„Und wenn sie ihn finden?“, drängte Rose. „Rufen die Chronisten dann die Polizei? Scotland Yard? Das Militär?“
„Nein, nichts werden sie tun“, flüsterte Lily. „Ich habe doch Recht, Mr Webber, oder? Deswegen sind Sie so wütend. Und deswegen ist Mum so verzweifelt. Sie und Ihre Freunde werden nichts tun, denn Sie sind ja nur Chronisten.“
Rose war sprachlos. Und das war Rose sonst nie.
„Mr Webber, was wird passieren, wenn Gray bleibt, wo er ist?“, fragte Lily.
T. W. Webber stand auf. Er sah auf die Mädchen herunter und zitierte erneut Shakespeare: „Zwei Häuser, gleich an Würdigkeit, reizt alter Hass zu neuem Kampf und Streit.“
„Er meint nicht …“, begann Rose.
Lily nickte. „Doch er meint. Er will uns sagen, dass es dann einen neuen Rosenkrieg gibt.“
Rose ließ sich nach hinten in die Polster fallen. „Haben Sie nicht gesagt, wir verdanken den Rosen eine der blutigsten Schlachten, die je auf Englands Boden ausgetragen wurde?“, erkundigte sie sich bei T. W. Webber.
Der Dozent nickte.
„Puh.“ Rose schüttelte sich. „Keine sehr angenehme Vorstellung. Also das würde ich nicht riskieren wollen. Einen schönen Gruß an Ihre Geheimbündler: Wir gehen zur Polizei, wenn sie es nicht tun.“
„Und was wollen wir denen sagen?“, fragte Lily ihre Schwester. „Entschuldigung, aber da draußen laufen Fey herum, die unseren Elfenbruder geraubt haben? Sie nennen sich Weiße Rosen? Nicht sehr glaubhaft.“
„Verdammt.“ Rose sprang auf und begann, in Webbers Arbeitszimmer auf und ab zu laufen. „Du hast Recht. Und bedenke“, Rose blieb stehen und hob einen schlanken Zeigefinger in die Höhe, „dass ja auch diese Rotrosen Gray haben könnten. Sie hätten die weiße Blüte dann einfach liegen gelassen, um Verwirrung zu stiften.“
Webbers Kopf ruckte zu ihr herum.
„Ah“, Rose lächelte selbstgefällig. „Daran haben Sie und Ihre Kumpel nicht gedacht, hm?“
Lily rieb sich die Stirn. „Egal, ob rote oder weiße Rose, Lancasters oder Yorks: Was wollen diese Leute von Gray? Wenn wir das Motiv finden, kommen wir vielleicht weiter.“ Sie sah flehend zu dem Historiker auf. „Mr Webber, Sie müssen uns helfen. Sie wollen doch, dass wir verstehen, sonst hätten Sie mich gar nicht herbestellt.“
Webber setzte sich neben Lily und nahm ihre Hand. „Tigerlily“, sagte er eindringlich. „Ich will, dass ihr begreift, wie ernst und gefährlich die ganze Angelegenheit ist. Das Leben eures Bruders ist, und das wage ich sogar zu beschwören, im Moment nicht in Gefahr. Aber wie es aussieht, ist es das eure, wenn ihr euch weiter einmischt. Ich bitte euch also darum, in Deckung zu gehen.“
Rose baute sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor ihm auf und ließ die Veilchenaugen blitzen. „Sie wollen, dass wir uns raushalten?“, empörte sie sich. „Uns zurücklehnen? Während Sie und Ihre Freunde, warten Sie mal, ach ja, genau, gar nichts tun, um unseren Bruder zu retten? Vergessen Sie’s!“
„Die Chronisten der Rose können noch überzeugt werden. Sie müssen überzeugt werden! Ich arbeite daran. Doch bis ich Erfolg habe, will ich, dass ihr in Sicherheit seid.“
„Das hat Kate auch gesagt“, sinnierte Rose. „Verdammt. Was soll man gegen so viel Fürsorge tun?“ Sie ließ sich in den von T. W. Webber verschmähten Lehnstuhl fallen, rutschte weit nach unten und legte ihren linken Knöchel auf ihr rechtes Knie. „Ich sage, wir ignorieren die wohlmeinenden Ratschläge. Lily?“
„Mehr als den Kopf einziehen, sollen wir nicht tun können?“ Lily knurrte leise und entzog Mr Webber ihre Finger. „Das ist doch lächerlich.“
Rose wippte mit ihrem aufgestellten Bein. „Meine Rede. Wir sollten zumindest herausfinden, wie wir diese Pixieviecher davon abhalten, dich doch noch zu massakrieren, Schwesterherz.“
T. W. Webber zuckte zusammen.
Rose lächelte böse. „Das ist keine schöne Vorstellung, nicht wahr, Mr Webber? Diese Fey scheinen es wirklich auf Lily abgesehen zu haben. Sie trägt jetzt zwar ein Eisenamulett, aber Mums Schutzriten für Gray haben ja auch schon nicht funktioniert.“
„Schutzriten?“, fragte Webber verwirrt. „Was für Schutzriten?“
Rose winkte ab. „Das ist Kates Sache, da fragen Sie besser
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