Elfenschwestern
Gray?“, rief Rose aus. „Unser Vater ein Lord? Das kann nicht sein. Dann wären wir ja so etwas wie Adelige. Oder? Unmöglich!“
Lily sah hoch. „Mum und Dad waren nicht verheiratet. Ich glaube, damit es offiziell ist, hätte er uns anerkennen müssen oder so etwas.“
Rose lachte höhnisch. „Na, du weißt ja, wie wahrscheinlich das ist.“
Lilys Augen brannten. Sie schaute schnell wieder auf das Blatt Büttenpapier in ihren Händen hinunter. „Gebt uns Bescheid, so schnell es geht. Es eilt. Unterzeichnet Grace und Gwyneth.“
Lily ließ den Briefbogen sinken. „Wenn Grace und Gwyneth unsere Tanten sind, Rose, dann hat Dad Schwestern!“
„Denen er nie von uns erzählt hat“, sagte Rose hart. „Typisch, oder? Ein reizender Mann, unser Vater. Nicht genug, dass er uns verlässt, nein, er verschweigt auch noch seiner eigenen Familie, dass es uns gibt.“
Lily fühlte Jolyons Blick auf sich. Und dann fühlte sie seinen Arm, den er ihr um die Schultern legte. Dankbar lehnte sie sich an ihn, griff über den Tisch und streckte die Hand nach Rose aus. Nach einem winzigen Moment des Zögerns legte Rose ihre Finger hinein.
„Glauben wir das?“, fragte Lily ihre Schwester. „Die eine der beiden, die Fey, die ich auf der Bühne gesehen habe, sah dir wirklich ähnlich. Zumindest, wenn sie lächelte.“
„Ich glaube nichts, bevor es nicht bewiesen ist“, erklärte Rose.
Jolyon räusperte sich. „Es ist die Wahrheit“, sagte er.
Beide Mädchen starrten ihn an.
„Hier.“ Jolyon griff mit seiner freien Hand nach dem Schnellhefter und schlug ihn auf. „Was ich euch mitgebracht habe, ist die Abschrift eines Stammbaums der Rosenfamilien.“
„Woher wusstest du …“, begann Lily.
Er lächelte sie an. „Du hast doch zu mir gesagt, du wolltest nach Ahnentafeln suchen. Nun, ich war bei Mr Webber und habe erfahren, über was ihr drei gesprochen habt. Also war uns klar, dass du den Rosen-Stammbaum meintest.“
Lily starrte Jolyon an. „Webber weiß, dass du hier bist?“
„Er weiß es.“
„Und war er einverstanden?“, bohrte Lily. „Kriegst du jetzt keinen Ärger wegen der Verschwiegenheitsklausel der Chronisten oder so etwas?“
„Ich bin Student der Geschichte, ich darf mich doch mit dem Studium der Vergangenheit beschäftigen. Und Mr Webber sagte, wie war das noch?“ Jolyon kniff die Augen zusammen, als denke er angestrengt nach. „Ach ja: Wilde, ich habe mir zwar keinen Assistenten gesucht, um ganz alleine der Flut von Weihnachtspräsenten und Partyeinladungen entgegenzutreten. Aber wenn Sie meinen, einem Mädchen nachjagen zu müssen, tun Sie das.“
Lily wurde rot. Vor Verlegenheit und Freude.
Rose sah von einem zum anderen. „Ihr seid so niedlich, dass einem ganz anders werden kann“, teilte sie ihnen mit.
„Rose!“, zischte Lily.
Jolyon aber grinste.
Rose wedelte ungeduldig mit der Hand. „Die interessante Frage ist doch, Collegeboy: Wieso bestätigt die Ahnentafel, was diese Fey behaupten?“
„Schaut.“ Jolyon drehte den Ordner so, dass die beiden Mädchen die erste Seite sehen konnten. Sie war horizontal gefaltet. Nachdem Jolyon sie zweimal aufgeklappt hatte, verästelte sich der Rosen-Stammbaum über drei Papierbögen. „Er beginnt im 14. Jahrhundert.“
„Wie, noch früher anfangen ging nicht?“, fragte Rose spöttisch.
„Oh doch, das wäre gegangen. Die Linie der Rosenvorfahren lässt sich viel weiter zurückverfolgen, aber hier nehmen beide Familien ihren Anfang. Edward III . war von 1327 bis 1377 König von England und Wales. Er hatte jede Menge Kinder, aber für uns von Interesse sind diese beiden.“ Jolyon zeigte auf zwei Namen, die unter Edward III . standen. „John, Duke of Lancaster, und Edmund, Duke of York. Diese beiden gründeten die Rosenfamilien.“
Lily fühlte, wie ihr ein kalter Schauer den Rücken hinabrieselte. Vor fast 700 Jahren hatte diese Fehde ihren Anfang genommen? Das war unheimlich. Und beunruhigend. Es klang nicht gerade nach einem Streit, der sich einfach so beilegen ließ.
„Johns Sohn bestieg 1399 als Henry IV . den Thron. Ihm folgte erst sein Sohn, Henry V., dann sein Enkel, Henry VI . Nach einer blutigen Schlacht zwischen roter und weißer Rose begann 1461 die Königsherrschaft des Hauses York mit Edward IV . Als Edward starb, sollte ihn sein ältester Sohn beerben. Doch Edwards Bruder, Richard III ., ließ die Prinzen, seine eigenen Neffen, in den Tower von London sperren, wo sie für immer verschwanden,
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