Elfenschwestern
eisig.“
„Aber bitte.“ Der Duke öffnete ihr die hohe Eingangstür, gerade als das Wiehern eines Pferdes durch die Luft schallte.
Lilys Kopf schnellte herum. Die Allee herauf kam der Reitertrupp, den sie kurz zuvor über die Felder hatten jagen sehen. Jetzt konnte Lily wirklich erkennen, wie die Atemwolken der Pferde in die kalte Luft aufstiegen, jetzt hörte sie tatsächlich das Schnauben der Tiere. Und jetzt war der Drang, sich zu ihnen zu gesellen, fast unerträglich.
„Miss Fairchild?“, sagte der Duke of Ashford hinter ihr.
„Ja“, erwiderte sie hastig. „Ich komme.“ Sie drehte sich um und fand ihn sie nachdenklich betrachtend vor sich stehen. Grace und Gwyneth waren schon nach drinnen verschwunden, aber Rose, die Stirn leicht gerunzelt, wartete hinter dem Duke.
„Haben Sie meinen Sohn schon kennengelernt, Miss Fairchild?“, erkundigte sich dieser jetzt.
Lily war verwirrt. „Mylord“, sagte sie und wusste im selben Moment, dass dies bestimmt die falsche Anrede war, „wir sind doch gerade erst angekommen.“
Der Duke platzierte zum ersten Mal ein knappes Lächeln auf seine schmalen Lippen. Es erreicht seine Augen nicht, dachte Lily beunruhigt.
„Hier kommt er“, sagte der Duke, „Alistair York, der Earl of Rosebery.“
Lily hörte Hufschlag hinter sich. Als sie sich umwandte, sah sie zuerst nur dieses herrliche Pferd mit glänzendem rotbraunem Fell, dunkler Mähne, dunklem Schweif und weißen Strümpfen auf sich zukommen. Der Braune schüttelte seinen schönen Kopf und wieherte.
„Nun gib mal nicht so an“, sagte sein Reiter amüsiert.
Lily hob den Blick zu ihm hinauf. Und spürte, wie ihr der Atem stockte.
„Hallo, meine Hübsche“, sagte Alistair, Earl of Rosebery. „Ich habe gehofft, dass du hier auftauchen würdest.“
18
O, take the sense, sweet, of my innocence! ~ Liebste, du denkst von meiner Unschuld schlecht!
„Okay“, sagte Rose, kaum dass die Tanten die Tür hinter sich zugezogen hatten und die Schwestern allein in ihrer Zimmerflucht waren. „Wer war dieser junge Gott zu Pferd? Und woher kennst du ihn?“
Lily hörte kaum richtig hin. Englefield Park mit seinen akkurat angelegten Rasenflächen und der beeindruckenden Schlossfassade wirkte schon auf den ersten Blick so, als könne jeden Moment die Queen aus einer Tür treten. Doch sobald Lily einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, fühlte sie sich so überwältigt wie der Bettelknabe, der den Prinzen geben soll. Die Eingangshalle zierten eine große, geschwungene Treppe, ein ausladender Kristalllüster und ein riesiger Weihnachtsbaum. Die Schritte hallten, wenn man die lapislazuliblauen und grafitgrauen Fliesen überquerte. Die Gästezimmer, die ihnen Stubenmädchen in weißen Häubchen zugewiesen hatten, besaßen vergoldete Stuckornamente, mannshohe Fenster und einen Blick auf noch mehr Rasenflächen, einen See und, was war das dort an seinem Ufer, ein Tempel? Lily lehnte sich gegen die Fensterbank und schüttelte benommen den Kopf. Es war alles zu viel. Dieser Palast. Der Duke. Und jetzt auch noch sein Sohn.
„Lily!“
Lily schreckte hoch.
Rose stand inmitten des Gepäcks und hatte nach wie vor diese beiden kleinen, steilen Falten über der Nasenwurzel, die sich draußen vor dem Portal Englefield Parks in ihre Stirn gegraben hatten. Sie verrieten ihren inneren Aufruhr.
Lily riss sich zusammen.
„Alistair York ist der Fey, der mich in jener Nacht aufgefangen hat, als ich vom Dach gefallen bin“, erklärte sie.
„Nein! Wirklich?“
Lily nickte.
Roses Stirn glättete sich. Dafür begann sie zu grinsen. „Also sieht er nicht nur aus wie ein junger Gott. Er benimmt sich auch noch so.“
„Ich hoffe nicht“, sagte Lily kläglich. „Du kennst doch die griechischen Sagen. Etwas Unberechenbareres als einen Gott gibt es nicht.“
„Ziemlich unberechenbar finde ich, dass dieser York hergeht und dir, einer Lancaster, das Leben rettet“, urteilte Rose. „Er hat doch gewusst, wer du bist. Oder? Er schien zumindest nicht überrascht, dich hier auf den Stufen seines Heimatpalastes zu sehen. Hätte er dich dann in jener Nacht nicht fallen lassen sollen?“
Lily schauderte.
„Ich bin ihm natürlich echt dankbar, dass er sich dagegen entschieden hat“, sagte Rose, trat zu ihr ans Fenster und stupste sie sanft. „Aber ich verstehe es nicht.“
„Ich auch nicht“, gab Lily zu. „Ich verstehe übrigens genauso wenig, wieso Gwyneth und vor allem Grace so nett zum Duke sind. Ich weiß, wir
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