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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Spaziergang im Park gefunden. Und alles bezahlt.
    So müssen wir uns vor all diesen Vertretern der Upperclass wenigstens nicht verstecken, dachte Lily und schaute an sich herunter.
    Lily trug ihre geliebten Wildlederstiefel mit der Kautschuksohle, eine neue, grob gerippte Wollstrumpfhose, die allein schon ungefähr so viel gekostet hatte wie ihre Stiefel, einen dunklen Jeansmini von Rose, ein Ringelshirt aus ägyptischer Baumwolle und darüber eine überlange graue Mohairstrickjacke, die beide Grace für sie ausgesucht hatte. Um den Hals hatte Lily in einer sentimentalen Anwandlung Kates pinkfarbenen Schlauchschal mit den aufgedruckten Shetlandponys gewunden. Er unterfütterte ihr Goldhaar, das sich lose bis auf ihre Schultern lockte – und – roch noch nach ihrer Mum.
    „Lily!“, rief Rose. „Schau mal da!“
    Links und rechts der Straße lagen verschneite Felder, gesäumt von Tannen. Und dort am Waldrand entdeckte Lily Bewegung. Sie lehnte sich neugierig nach vorne, als eine Gruppe Reiter zwischen den Bäumen hervorpreschte. Unter den wirbelnden Hufen der Rösser flogen Brocken von Schnee und Erde auf. Die jungen Männer auf den Pferderücken johlten, dass es bis zur Straße zu hören war. Sie beugten sich dicht über die nach vorn gestreckten Hälse ihrer Tiere, ihre Haare flogen, die Mähnen der Pferde flatterten, während der kleine Trupp auf der freien Fläche immer schneller und schneller wurde.
    „Wie die wilde Jagd“, murmelte Gwyneth.
    Lily rieselte bei diesen Worten ein Schauder den Rücken hinunter. Sie wusste aber nicht, ob vor Unbehagen oder Faszination. Lily meinte, den Atem aus den Nüstern der Pferde in Dampfwolken emporsteigen zu sehen, die kalte Luft auf ihrem Gesicht zu spüren und den Wald zu riechen. Und sie dachte: Wenn das die wilde Jagd ist, will ich mitmachen!
    Die Reiter und ihre Pferde verschwanden auf der anderen Seite des Feldes zwischen den Tannen. Ein paar Zweige schlugen hinter ihnen zusammen, Schnee fiel zu Boden, dann zeugten nur noch die Hufspuren von ihrer Existenz.
    „Was jagen sie nur?“, fragte Rose, die sich halb umgedreht hatte, mit einem Arm die lederne Rückenlehne der vorderen Sitzbank umklammerte und durch Lilys Seitenfenster starrte. Sie klang ungewohnt beunruhigt.
    „Nichts vermutlich“, antwortete Grace. „Ausnahmsweise. Aber diese Pferde wollen bewegt werden.“
    Gwyneth warf lachend den Kopf in den Nacken. Ihr Haar schwang nach hinten und eine Brise Lavendel zog durch den Wagen. „Ja, und diese jungen Kerle auch. Lass sie einen Tag lang nicht nach draußen, und sie werden so unruhig und übellaunig wie eingesperrte Welpen.“
    Das kann ich verstehen, dachte Lily.
    Grace griff nach ihrer Handtasche, kramte einen vergoldeten Handspiegel und ihren Lippenstift heraus. Während sie die Kappe abschraubte, sagte sie: „Zeit für letzte Schönheitskorrekturen, meine Lieben.“
    Rose ließ sich wieder in ihren Sitz sinken und drehte sich nach vorn. „Man sieht aber noch gar nichts.“
    „Das ist die hohe Kunst der Landschaftsarchitektur“, erklärte Grace geheimnisvoll. Dann konzentrierte sie sich auf ihren Spiegel und zog ihre Lippen mit flinken Bewegungen in leuchtendem Orangerot nach.
    Gwyneth nahm eine Hand vom glänzenden Wurzelholz des Lenkrads, schaltete und gab Gas. „Passt auf. Nach der nächsten Kurve.“
    Lily rutschte näher zu Grace heran, sodass sie zwischen Gwyneth’ und Roses Köpfen nach vorne schauen konnte. Gwyneth steuerte den Wagen um ein Waldstück und wurde langsamer, als plötzlich zwei schiefergraue Gebäude auftauchten. Sie waren verbunden durch einen großzügig geschwungenen Torbogen, der ein in Stein gehauenes Wappen mit einer stilisierten, weit erblühten Rose zeigte.
    „Sollen wir davon jetzt beeindruckt sein?“, fragte Lilys Schwester spöttisch.
    „Ja, durchaus.“ Grace ließ den Bentley langsam zwischen den beiden Gebäuden hindurchrollen. „Das hier ist erst das Pförtnerhaus.“
    Rose warf ihrer Schwester über die Schulter einen fragenden Blick zu.
    Lily nickte einmal knapp. Ja, ihr war auch irgendwie komisch zumute.
    Hinter dem Pförtnerhaus ragten Kastanien auf. Links und rechts standen sie in langer Reihe winterkahl, aber schneegeschmückt und sahen gleichzeitig imposant und festlich aus. Hoch oben verschränkten sich die Äste. Sie ließen die Kastanien einen Tunnel formen, durch den die Lancasters in fast andächtigem Schweigen fuhren. Eiskristalle glitzerten und funkelten in der Nachmittagssonne.
    Grace

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