Elfentausch
groß und saß auf dem Sofa. Sie erschrak kurz, ging aber nicht näher darauf ein. Sie war viel zu aufgeregt und wollte der Hexe endlich die Nixenschuppe und das Mähnenhaar präsentieren. Vorsichtig zog sie das klebrige Taschentuch aus der Tasche und nahm die silberne Schuppe heraus. Als sie diese auf den Glastisch der Hexe gelegt hatte, wo sie einen leuchtenden Glanz abgab, zupfte sie auch die Haare aus dem Tuch und legte sie vorsichtig neben die Schuppe.
»Prima!«, freute sich die Hexe und klatschte in die Hände. Dann schnippte sie mit den Fingern und hatte eine wunderschöne Schrammelgitarre in der Hand, die die Melodien von sterbenden Sternen nachspielen konnte. Das war nicht jedermanns Musikgeschmack, aber der der Hexe, und deswegen besaß sie die Gitarre ja auch. Leider war ihr eine Saite gerissen und man konnte nur auf dem Mähnenhaar von Einhörnern spielen und mit einer Nixenschuppe als Plektron. Begeistert zog die Hexe die neue Saite auf und stimmte dann eine ihrer Lieblingsmelodien an.
»Das kann ja wohl nicht wahr sein!«, schimpfte Tamara. »Wir haben den weiten Weg nur wegen deiner Gitarre gemacht?«
Die Hexe hörte auf zu spielen und blickte Tamara aus ihren unnatürlich grünen Augen an. »Falsch!«, wies sie Tamara zurecht. »Ihr habt den Weg gemacht, um mir eine Bezahlung für eure Wünsche zu besorgen. So war das abgemacht, wenn ihr euch erinnert!«
Tamara besann sich und murmelte eine leise Entschuldigung. Ihr Temperament war wohl kurz mit ihr durchgegangen. Wenn sie die Hexe jetzt ärgerte, konnte sie ihren Wunsch vergessen.
»Dann dürfen wir uns jetzt etwas wünschen, ja?«, fragte Evelin mit glänzenden Augen. Die Hexe zuckte gleichgültig mit den Schultern und spielte eine neue Melodie, die noch ätzender klang als die erste.
Rüdiger schüttelte sich.
»Also, ich möchte gerne ein Mensch sein«, sagte Tamara schließlich.
»Und ich möchte eine Elfe sein«, sagte Evelin.
»Und ich will ein Vogel bleiben, will aber nicht mehr kotzen – äh - mich übergeben müssen, wenn ich Überschall fliege«, ergänzte Rüdiger die Wunschliste.
Die Hexe blickte einen nach dem anderen ernst an. Bei Rüdiger verweilte sie als Letztes und schnippte dann mit den Fingern. »Du kannst gehen!«, sagte sie dann.
»Aber was ist mit meinen Freunden?«, fragte er. »Ich will warten, bis sie auch an der Reihe waren, damit wir gemeinsam gehen und noch Börti besuchen können!«
Die Hexe warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen war es schon stockfinstere Nacht. »Interessant!«, meinte sie dann. »Ihr wollt bei dieser Finsternis unbedingt durch den Sumpf streunen und euren Freund, den Wichtel, suchen?«
Tamara und Evelin warfen nun ebenfalls einen Blick aus dem Fenster. Ihnen wurde unbehaglich zumute. Sie hatten wirklich keine besonders große Lust, in dieser Dunkelheit irgendwo im Sumpf verloren zu gehen.
Tiefgründig blickte die Hexe die drei Freunde an. »Karamba wird euch eure Zimmer zeigen. Wir reden morgen weiter.« Mit diesen Worten erhob sie sich und ging aus dem Zimmer.
»Immer ich«, schimpfte Karamba und verließ sein kuscheliges Plätzchen am Kamin. »Also folgt mir!«, sagte er.
»Aber ...«, begann Evelin, worauf Karamba ruckartig seinen Kopf herumwarf und eine kleine Flamme nach ihr spuckte – ohne sie natürlich zu verletzen. »Okay, wir kommen«, sagte Evelin und alle hatten es ganz eilig, ins Gästezimmer geführt zu werden. Trotzdem waren sie enttäuscht. Sie hatten gehofft, schon lange am Ziel ihrer Wünsche zu sein. Stattdessen zog sich alles noch weiter hinaus.
Unten saß die Hexe in ihrer soeben herbeigezauberten Bibliothek und entspannte sich bei einem Roman von Stephen King. Tja, die kleinen Freunde sollten lernen, dass man manchmal einfach abwarten muss. Wünsche erfüllen sich nicht einfach so. Man muss sie sich manchmal hart erarbeiten. Oder Geduld haben. Oder beides. Die Hexe rückte ihre Brille zurecht und las weiter.
Frühmorgens, als die ersten Sonnenstrahlen in das Gästezimmer fielen, wurden die Freunde schlagartig wach. Der große Tag war endlich gekommen! Wenn die Hexe es sich nicht anders überlegte. Schnell rannten - oder besser flogen - sie die Treppe hinunter und suchten die Hexe, die sie dann auch in der Küche fanden. Ein Frühstück war für alle hergerichtet.
»Guten Morgen!«, sagte die Hexe. »Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, solltet ihr euch noch etwas stärken. Langt ordentlich zu!« Sie wies mit der Hand auf den Tisch, wo für jeden
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