Elfentausch
etwas nach seinem Geschmack stand.
Für Evelin gab es sogar Toastbrot und Orangensaft. »Das habe ich schon richtig vermisst«, freute sie sich. Und sie aß so viele Toastbrote, wie sie nur in sich hineinstopfen konnte. Sie hörte erst auf, als ihr leicht übel wurde.
Wohlig lehnten sich die Gefährten auf ihren Sitzgelegenheiten zurück und blickten die Hexe fragend an.
»Lasst uns das im Wohnzimmer besprechen«, sagte die Hexe und schnippte mit den Fingern. Sekundenbruchteile später saßen sie auf dem Sofa beziehungsweise dem Baum im Wohnzimmer und starrten immer noch in stummer Vorfreude auf die Hexe. Rüdiger war ja bereits glücklich gemacht worden. Sein Wunsch war seit gestern erfüllt und er konnte es kaum erwarten, es auszuprobieren. Aber er wollte auf gar keinen Fall seine Freundinnen allein lassen. Die Hexe lehnte sich auf dem plötzlich materialisierten Schaukelstuhl zurück, der noch dreimal die Farbe wechselte, und machte sich dann bereit für ihren Vortrag, den sie sich heute Morgen zurechtgelegt hatte.
»Ihr seid also schon sehr lange unterwegs, weil ihr unbedingt den für euch wichtigsten Wunsch im Leben erfüllen haben wollt. Ihr habt Freunde getroffen, die euch ohne Gegenleistung beigestanden haben und auch Geschöpfe, die euch nur gegen Bezahlung helfen wollten. Ihr habt euch gegenseitig unterstützt und aufeinander aufgepasst und habt nicht gegeneinander aufgewogen, dass Evelin ihre Habseligkeiten opfern musste, um sie für Essbares einzutauschen oder dass ihr Rüdiger als Reittier benutzt habt und dass Tamara gar nichts von allem dazu hat beitragen müssen. Das hat mich wirklich beeindruckt. Ihr seid wahrlich Freunde.« Gerührt blickten sich die Freunde an. Evelin bedauerte, dass sie Tamara nicht mehr an der Hand halten konnte, aber sie hatte ja wieder ihre vorherige Größe und würde der Freundin vermutlich nur wehtun. Rüdiger flatterte verlegen mit den Flügeln.
Die Hexe räusperte sich und sprach weiter. »Aber, wie ich euch schon gesagt habe, ist es nicht immer das Beste, wenn die Wünsche, die man hat, auch erfüllt werden. Besonders wenn sie schlecht formuliert sind. Denkt an Dieter, den Höhlen-Eumel! Wenn du«, sie schaute Tamara an, »dir nun wünschst, ein Mensch zu sein, heißt das dann, dass du gerne ein 80 Jahre alter Mann wärst, der in einem Iglu bei den Eskimos lebt?«
Tamara blickte total erschrocken zur Hexe auf und fuchtelte abwehrend mit den Händen. »Nein, nein! Natürlich nicht! Ich wäre gerne ein kleines Mädchen, wie Evelin.«
»Das habe ich mir schon gedacht, aber gewünscht hast du es dir nicht so«, schmunzelte die Hexe. »Ihr seht also, was ich meine. Rüdiger hatte einen einfachen Wunsch. Er ist zufrieden damit, was er ist, aber er möchte eine unangenehme Eigenschaft abstellen. Eigentlich ist es überflüssig, diese wegzuhexen. Und dann ist er auch kein richtiger Brechvogel mehr. Er hätte einfach immer nur langsam fliegen können, um sich nicht übergeben zu müssen, oder es einfach in Kauf nehmen, wie Tausende andere Brechvögel auch. Aber sein Wunsch ist verständlich und wird nicht sein komplettes Leben durcheinanderbringen. Deshalb habe ich ihm seinen Wunsch erfüllt.« Sie legte wieder eine kleine Pause ein und rührte in einer Tasse Kaffee, die sich eben in ihrer Hand gebildet hatte. Sie trank einen kleinen Schluck und sprach dann weiter. Die Tasse verschwand wieder dahin, wo sie hergekommen war.
»Eure Wünsche werden aber euer komplettes Leben ändern und ihr könnt auch nicht mehr zurück. Außerdem kann ich Elfen nicht einfach wachsen lassen und ihnen die Flügel abnehmen oder die Menschen schrumpfen und Flügel ankleben. Ihr könntet nicht nur in der Hülle dessen existieren, was ihr euch wünscht. Ihr müsstet es auch wirklich sein. Es kommt vielmehr auf das Innere an. Deshalb kann ich euch auch nicht verwandeln. Ich kann nur eure Seelen austauschen.« Die Hexe ließ diesen wichtigen Satz erst eine Weile wirken, bevor sie weitersprach. »Ich kann nicht einfach Tamara zu einem Menschenmädchen machen und es dann in der Stadt aussetzen. Wo würdest du wohnen? Was würdest du essen? Wie würdest du deine Herkunft und deine Existenz erklären? Menschen brauchen für alles eine Urkunde. Hast du das gewusst? Du hättest rein gar nichts von dem, was du dir so schön ausgemalt hast. Und du, Evelin, wenn du plötzlich Flügel hättest und eine kleine Elfe wärst, wo würdest du hingehen? Wer würde dir erklären, wie Elfen sich verhalten und was sie
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