Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
zweifelte nicht daran, dass sie die Drohung bitterernst gemeint hatte. Wenn Nadja dieses Amrita nicht besorgen konnte, waren ihre Tage unter den Lebenden gezählt. Es war vergebliche Mühe, darauf zu hoffen, dass der Maharadscha die Intrige seiner Hauptfrau entdecken und Nadja retten würde. Rabin Dranath Takur hatte genug, um sich von ihr abzulenken.
Ob ihre Freunde sie in diesem Gefängnis erreichen konnten? Suchten sie noch nach ihr? Und wo blieb der Getreue? Sie hätte fast aufgelacht. Sollte er tatsächlich ihre einzige Hoffnung sein, aus dieser Misere herauszukommen?
In schnellem Wechsel tauchten die Erinnerungen an ihre vergangenen Begegnungen auf. Damals in Venedig, als er mit ihr bei der Hochzeit auf dem Platz getanzt hatte. Später dann, im Palast des Dogen, war er auf seltsame Weise galant und grausam zugleich gewesen. Ein anderes Mal wieder ohne jeden Skrupel, brutal und erbarmungslos hatte er in ihrer Wohnung gewütet. Und zuletzt war es ihm beinahe gelungen, sie zu verführen – und dann hatte er von ihr abgelassen und sie verschleppt. Ob er vorausgesehen hatte, was am Hof des Maharadschas mit ihr geschehen würde?
»Hier oben herumzustehen bringt auch nichts«, sagte Nadja laut und trottete missmutig die Treppe hinab.
Weiter und weiter ging sie, doch die Stufen wollten kein Ende nehmen. Obwohl sie sich vom oberen Rand entfernte, schien der Boden auch nach Stunden kaum näher gekommen zu sein. Nadja erkannte, dass ihre Sinne ihr einen Streich spielten. Höhe und Breite der Halle waren einfach so groß, dass sie die Dimensionen nicht mehr erfassen konnte. Sie durfte nicht darüber nachdenken, sich nicht entmutigen lassen.
»Einfach einen Schritt nach dem anderen tun; nicht das Ziel im Blick behalten, sondern den Weg dorthin.« Das sagte sie sich immer wieder, aber was sie sah, erzählte eine andere Geschichte.
Nadja ging und ging – stunden-, vielleicht auch tagelang. Ohne natürliches Licht hatte sie das Gefühl für Zeit rasch verloren. Das Dreigestirn prangte immer gleich oben an der steinernen Decke und verbreitete sanftes Licht – jung und unschuldig wie ein Morgen im Frühling.
Klapp, klapp, klapp. Die Geräusche ihrer Schuhe lullten Nadja ein, beinahe willenlos bewegte sie sich vorwärts. Nicht mehr aus eigenem Antrieb heraus, sondern weil es ihr kaum noch möglich war, diesen immer gleichen Rhythmus zu durchbrechen. Klapp, klapp, klapp. Klapp, klapp, klapp. Ihre Gedanken lösten sich auf, gingen im Takt der Schritte unter.
Als sie schließlich auf ebenen Boden trat, registrierte sie es zu spät. Sie stolperte, taumelte und rannte gegen ein in die Mauer des Labyrinths eingelassenes Tor. Nadja schüttelte sich, um die Benommenheit loszuwerden, und blickte zurück. Das andere Ende der Treppe lag kaum sichtbar in der Ferne. Sie hatte es geschafft!
Mit wiedererwachter Tatkraft suchte sie nach einem Türöffner, einer Klingel oder einem Klopfer. Die dicken verwitterten Holzbalken wurden von gusseisernen Krallen und Schmiederingen zusammengehalten. Faustgroße, pyramidenförmige Nietenköpfe bildeten ein Muster in der Mitte des Tores. Eine schmale Linie zeichnete ein Quadrat, das Nadja sofort an die Türsteherfenster an den Discos erinnerte. Sie klopfte an.
Bevor sie noch die Knöchel vom Holz genommen hatte, klappte das Quadrat nach innen auf, und ein düster dreinblickendes Gesicht erschien. »Wer da?«
Die Augen des Wesens blickten an Nadja vorbei, als würden sie nach weiteren Besuchern Ausschau halten, und erreichten schließlich ihr Ziel. Die einzige Reaktion auf ihren Anblick war ein tief tönendes Brummen.
Trotz der nicht gerade vielversprechenden Begrüßung setzte Nadja ihre beste Gute-Laune-Miene auf und kehrte ihre elfische Seite hervor. »Mein Name ist Nadja Oreso, ich bin Gast von Rabin Dranath Takur, dem Maharadscha von Jangala.« Und da der Kerl nicht sonderlich beeindruckt wirkte, setze sie hinzu: »Ich bin hier, weil ich von seiner Hauptfrau Indira persönlich den Auftrag erhalten habe, den weißen Pfau aufzusuchen.«
Diesmal erntete sie nicht mehr als ein unartikuliertes Brummen. Einen Moment lang zogen sich die funkelnden Augen zusammen, dann verschwand das Gesicht, und die Klappe schlug zu.
Nadja nahm den Kopf in den Nacken und stöhnte auf. »Wäre ja auch zu schön gewesen.«
Sie klopfte erneut. Wie beim ersten Mal öffnete sich die Luke, noch bevor der Ton verhallt war. »Wer da?«
»Nadja Oreso, Tochter von Fiomha und Mutter des ungeborenen Sohns von Dafydd,
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