Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
dem Nachkommen des Königs der Sidhe Crain«, versuchte sie es diesmal.
Wieder schlug die Wache die Klappe zu.
So ging das Spielchen drei Versuche lang weiter, bis Nadja vor Wut gegen das Tor trat. »Lass mich rein, du bockiger Faulpelz! Was soll ich noch tun? Tanzen? Singen? Kriechen? Ich habe eine Aufgabe zu erledigen!«
Unvermittelt erschien das Gesicht erneut im Fenster. Die funkelnden Blicke maßen sie eingehend, blickten tief in sie hinein. Plötzlich begriff Nadja, auf was es ankam. Statt mit Sorglosigkeit und Zuversicht an die Sache heranzugehen, hatte sie von vornherein Schwierigkeiten erwartet und sie damit geradewegs herbeigezaubert. Sie hatte selbst nicht geglaubt, dass man sie einlassen würde – deshalb liefen alle Versuche fehl. Sie musste es positiver angehen. Also rief sie sich all jene Momente ihres Lebens in Erinnerung, in denen ihr die Dinge nur so zugeflogen waren, in denen das Leben federleicht gewesen war und nichts sie hatte aufhalten können.
Sie dachte an Paris zurück und an die Zeit, in der sie und Robert ein Team gewesen waren. Sie hatte sich an den Wartenden vorbei ins Museum gemogelt und es später in Venedig mit Frechheit und Charme allein zum Ball auf die Insel des Dogen geschafft. Ein Schmunzeln huschte über ihre Lippen.
»Wer da?«, fragte der Wächter ein weiteres Mal.
Nadja antwortete mit Inbrunst: »Ich.«
Das düstere Gesicht glättete sich sofort, und eine sanfte Stimme sagte: »Du hast den Schlüssel zum Labyrinth gefunden. Doch hüte ihn gut, denn so mancher hat sich auf den Pfaden verirrt und sich schließlich selbst verloren.« Nach diesen Worten schwang das Tor auf. Nadja trat ein.
Sie fand sich in einem gut zwei Meter breiten Gang wieder, links und rechts von hohen Mauern umgeben. Als sie sich umblickte, fehlte vom Wächter jede Spur, und auch der Durchgang war verschwunden. Stattdessen ragte an der Stelle eine ebensolche Mauer in die Höhe. Nadja versuchte sich zu orientieren, blickte hinauf zum Dreigestirn und an die Decke. Doch die leuchtenden Kugeln drehten sich langsam um sich selbst und waren ihr keine Hilfe. Sie würde auf ihre Intuition vertrauen müssen, um den richtigen Weg zur Mitte des Irrgartens zu finden.
»Das wird schon«, sprach sie sich selbst Mut zu und spazierte los.
Ecke um Ecke, Gang um Gang, Gabelung um Gabelung ließ Nadja hinter sich. Sie hatte abermals das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Wände und Boden sahen stets gleich aus. Nichts unterschied sich auf dem nächsten Pfad von dem vorherigen. Es war zum Verzweifeln.
Je länger sie ging, desto mehr bekam sie das Gefühl, verfolgt zu werden. Hin und wieder meinte sie das Trappeln kleiner Füße zu hören, ein Tuscheln hinter vorgehaltener Hand, ein hämisches Kichern. Aber wann immer sie stehen blieb und sich umdrehte, war niemand zu sehen.
Einen Führer könnte ich gut gebrauchen
, dachte sie bei sich.
Jemanden, der sich hier auskennt und mir den richtigen Weg zeigen kann
.
Einer spontanen Eingebung folgend, stellte sie sich mit dem Rücken an die Wand und legte die Hände vor die Augen, wie es kleine Kinder beim Versteckspiel machten. Zwischen den Fingern ließ sie ein wenig Platz, um hindurchzuspähen.
Abermals erklang das rätselhafte Tippeln, und die tuschelnden Stimmen wurden lauter, aufgeregter. Nadja konnte kaum fassen, was sie als Nächstes sah: Zwei braune Minikühe, nicht größer als Cockerspaniels, standen vor ihr und blickten sich suchend um.
»Hier hab ich sie zuletzt gesehen«, wisperte die eine. Ihre Schnauze sah aus, als hätte man sie in einen Eimer Milch getunkt.
»Wohin kann sie nur verschwunden sein?«, raunte die andere.
Zwei Kühe waren nicht gerade das, was Nadja sich bei dem Gedanken an einen Fremdenführer erwartet oder erhofft hatte. Aber immerhin konnten sie reden, das würde genügen müssen. Nadja erinnerte sich daran, viele Kühe rund um den Palast, aber auch innerhalb des Geländes gesehen zu haben. Sie hatten friedlich in den Gärten gegrast oder waren durch die Hallen getrottet und hatten von den Dekorationsblumen genascht. Dabei waren sie oft bemalt und geschmückt gewesen.
In der Menschenwelt lebten Kühe in Indien ein freies Leben. Sie galten als unantastbar, als heilig. Nie hätte sich ein Hindu erdreistet, so ein Tier zu schlagen oder gar zu schlachten. Selbst arme Bauern hielten sich an diese Tradition. Waren dies also kleine Kuhgötter? Bei dem Gedanken musste Nadja schmunzeln; sie gab sich einen Ruck und nahm die Hände
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