Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
Scharniere.
Angenehme Kühle strömte aus dem Inneren. Elisabeth milderte ihren Widerstand, ließ sich mitreißen und hinein in das große Kirchenschiff führen. Dort, im vergrößerten Presbyterium, gab Jarosh sie frei. Erschöpft sank sie zu Boden. Den Blick auf das weitverzweigte Sterngewölbe gerichtet, spürte sie dem abebbenden Rausch nach, den dieser Ort aus ihr herauszusaugen schien. »Was geschieht mit mir?«, fragte sie sich.
Dieser Durst nach Blut war anders als alles, was sie gekannt hatte. Er hatte nichts mit der Lust am Foltern, dem Ausüben grenzenloser Macht zu tun. Es war ein tiefer sitzender Hunger, ihre Zähne in einen Körper zu schlagen und ihn auszusaugen. Ein Urinstinkt, der aus ihr hervorgebrochen war, um ihr Leben zu schützen, zu erhalten. Wie bei diesen Upirs, die in den russischen Erzählungen aus der Umgebung von Nowgorod stammten: untote Blutsauger, die nach dem Biss ihres Schöpfers Upir Lichyi als Unsterbliche durch die Welt streiften.
»Bin ich ein Vampir?«, fragte sie leise.
Der Ghul warf sich neben ihr auf die Knie, nahm ihre Hand und legte sie sich an den Hals. »Tötet mich, Herrin. Tötet mich, denn es ist meine Schuld, dass diese Hexenmeister Euch erweckten. So sehr habe ich mich nach Eurer Rückkehr gesehnt, dass ich diesen egoistischen Wunsch vor ihnen ausgesprochen habe.«
Für einen Moment schlossen sich ihre Finger um seine Gurgel, doch statt zuzudrücken, zog sie ihn näher. »Du allein bist mir treu geblieben. Sogar über den Tod hinaus. Dafür werde ich dich beizeiten angemessen belohnen. Vorerst aber benötige ich die Hilfe der Männer, um mich in dieser Welt zurechtzufinden. Sie haben den Wandel der Gesellschaft miterlebt und können sie mir besser erklären als ein im Schatten dahinvegetierendes Knochengerippe. Die Zeit wird kommen, da ich wieder Anspruch auf meine alten Besitztümer erheben werde! Und meine neue Gabe wird mir dabei behilflich sein.«
Jarosh nickte, sichtlich erleichtert über so viel Gnade.
Sie ließ ihn los und richtete sich auf. »Aber warum hast du mich ausgerechnet in eine Kirche gebracht? Sollte ich jetzt nicht brennen oder etwas Ähnliches?«
Der Ghul gluckste vergnügt. »Der Dom ist nicht gar so heilig, wie alle meinen. Auch die späte Weihe konnte nicht mehr gutmachen, dass sein Fundament auf den Gebeinen Verstorbener errichtet wurde. Unter dem Hauptschiff liegt ein weitläufiges Netz aus Gängen und Grabkammern, die einstmals zu einem Friedhof gehörten.«
Elisabeth lachte. »Und ausgerechnet hier wurden die kaiserlichen Krönungsfeiern abgehalten?«
»Die Kirche hat dieses Wissen selbstverständlich zurückgehalten und Gerüchte darüber als gottlose Schmähungen abgetan. Genau wie die Berichte über Folterungen, die im Namen Christi dort unten durchgeführt wurden. Unter dem Deckmantel des Exorzismus haben die braven Pfaffen in den Katakomben über die Jahrhunderte unzählige Menschen getötet, bis dem Dombischof die Beseitigung der Leichen zu heikel wurde. Danach haben sich andere Organisationen eingeschlichen. Kultisten, die ihre schwarzen Messen zu Ehren Satans abgehalten haben.«
»Und die Kirche hat das gebilligt?«, fragte Elisabeth überrascht.
»Natürlich spazierten die Kultisten nicht auf gewohntem Weg hinein. Draußen, im Keller des verrotteten Gebäudes mit den vielen bunten Malereien und Holzbildnissen in den ausgeschlagenen Fenstern, gibt es einen Tunnel, der in die unterste Ebene der Gewölbe führt. Sechs Meter tief unter dem Dom finden angeblich noch heute geheime Treffen statt. Das wahre Wissen ist über die Zeit verloren gegangen. Die meisten der Sektierer sind nur kostümierte Abziehbilder jener, die es noch verstanden, Dämonen herbeizurufen, Bannsprüche zu wirken oder Flüche auf harmloses Papier zu brennen.
Heutzutage tragen die Anhänger in der Öffentlichkeit ihre schwarzen Kutten und umgedrehten Kreuze um den Hals, als wären es Trophäen. In Wahrheit steht ihnen der Sinn jedoch nach Saufgelagen und berauschenden Kräutern. Sie sind unwürdig, den Namen eines Dämons überhaupt laut auszusprechen.«
»Wie steht es mit den anderen? Gibt es viele wie mich? Vampire oder Wolfsgestalten?« Elisabeth achtete darauf, dass ihre Stimme fest klang, auch wenn sie sich vor der Antwort fürchtete.
Der Ghul hob die Schultern bis zu den kleinen verwachsenen Ohren und gab einen Klagelaut von sich, als hätte man ihn geprügelt. »Eine zumindest gibt es …«, flüsterte er heiser. »Eine, die Euch unfreiwillig
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