Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
unvergleichliche Befriedigung. »Was für ein Spaß!«, sagte sie voller Wonne und wischte sich mit dem Handrücken die Blutreste vom Kinn. »So könnte ich die ganze Nacht lang weitermachen.«
Der Ghul murmelte etwas, während er das Mädchen in eine sitzende Position brachte. Er winkelte ihre Beine an, verschränkte die angebissenen Arme über den Knien und bettete zum Abschluss ihren Kopf darauf. Es sah aus, als schliefe sie.
»Mach dir keine Mühe«, sagte Elisabeth. »Was soll mir die Gerichtsbarkeit noch anhaben? Ich war bereits tot.«
»Es gibt Schlimmeres«, flüsterte Jarosh kaum hörbar.
»Ach ja?«
Der Ghul schwankte betreten von einem Fuß auf den anderen. »Als Untoter auf ewig gebunden zu sein – gefangen in einem Dasein, das keine wirklichen Freuden mehr kennt.«
»Dummes Zeug! In mir fließt ein Strom unerschöpflicher Energie! Das Leben rauscht geradezu durch meine Adern und lässt mich in neuer Blüte erstrahlen.« Elisabeth strich sich selbstverliebt über die Wangen, die trotz des Angriffs bereits wieder verheilt waren. Ihre kühlen Finger glitten über den Hals und die Rundungen entlang bis hinab zu ihren wohlgeformten Hüften, welche durch das Korsett und das Brokatkleid noch betont wurden. »Ich habe genug Zeit verschlafen. Ich will meinen Körper wieder mit allen Sinnen spüren. Und dafür brauche ich einen Mann!«
»Nicht heute, Herrin«, flehte Jarosh. »Ihr müsst Euch erst in diese Welt einleben. So fallt Ihr zu sehr auf. Schon morgen könnte die Geschichte über Euch auf dem Marktplatz in den Zeitungen stehen. Und dann die Tote …«
»Verschone mich mit deinem einem Hasenherzen entsprungenen Gejammer!« Der Genuss des frischen Blutes wirkte in ihr wie ein entzündeter Docht an einem Pulverfass. Sie brannte bereits und wollte weiterstürmen, den großen Knall erleben und in Ekstase aufgehen. Aber ihr Diener hatte recht. Sie musste sich dieser Zeit besser anpassen. Nur so konnte sie ihren Trieb ungestört ausleben. Und dafür würde sie die Hilfe ihrer Retter brauchen.
»Bring mich zurück in die Unterkunft des Hexers«, sagte sie knapp und mit ungnädiger Miene. »Für heute habe ich genug des neuen Lebens gekostet.«
21 Pavo – der weiße Pfau
Nadja griff zur Kontrolle nach der kleinen Kürbisflasche an ihrem Gürtel und schlich geduckt näher.
Der Pfau kauerte in einer Erdkuhle und bewegte sich nicht. Er war groß wie ein Bär und trug Federn, die so weiß und fein waren wie die eines königlichen Schwans. Der lange Hals krümmte sich um den fülligen Körper. Sein Kopf lag auf einem Flügel und wirkte zu klein im Vergleich. Die geschlossenen Lider waren mit fingerlangen Wimpern geschmückt, und sein flacher, spitz zulaufender Schnabel versteckte sich zur Hälfte unter dem Flaum. Eine fedrige Krone aus reinstem Weiß zierte sein Haupt, doch am beeindruckendsten war sein mehrere Meter hoher Fächerschweif: ein filigranes Gespinst aus glitzernden, hauchdünnen Kielen, in welche schillernde Perlmuttaugen hineingewebt waren. Im sanften Auf und Ab des Atems schienen sie Nadja zuzuzwinkern.
Seine Schönheit machte sie ergriffen. Sie sank auf die Knie und streckte vorsichtig eine Hand aus – getrieben von dem Wunsch, ihn nur ein einziges Mal berühren zu dürfen. Ganz zart strich sie ihm über den Hals, spürte die Weichheit seines Federkleids und die Wärme in seinem Körper.
Da öffnete Pavo die Augen. Strahlendes Blau, umrahmt von samtiger Schwärze, schaute Nadja entgegen, als er den Kopf drehte und sich zur Hälfte aufrichtete. Ein einziger Hieb seines Schnabels hätte wohl genügt, um die junge Frau in die Erde zu rammen, doch in seinem Blick waren nichts als Güte und vielleicht ein Hauch von Verwunderung über den unerwarteten Besuch.
»Ein Mensch hier bei mir? Das ist ungewöhnlich«, sagte er mit sanft singender Stimme. »Oder ist es eine Elfe?« Er wiegte den Kopf, blinzelte und gab einen keckernden Laut von sich. »Wirklich sehr sonderbar.«
Sein interessiert forschender Blick ruhte auf Nadja, und mit einem Mal fielen Sorgen und Zweifel von ihr ab. Auf all ihren Reisen und Abenteuern, die sie auf der Suche nach der Unsterblichkeit durchlebt hatte, war sie sich nie so sicher gewesen, ihr Ziel erreicht zu haben, wie in diesem Moment. Es kam ihr geradezu schicksalhaft vor. Ausgerechnet der Feind hatte sie nach Jangala gebracht, in die Welt der Elfen – dorthin, wo sie und die anderen nie nach dem Quell gefahndet hätten. Und ausgerechnet an diesem Ort und ohne ihn
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