Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
als Lebensspenderin diente und nun mit Gewissheit nach Rache dürstet.«
Elisabeth hob eine Braue. Die Blutsauger ihrer Zeit hatten sich von ihr ferngehalten. Angeblich, weil sie den Gestank der Leichen und Leidenden in der Burg nicht ertrugen. Nie hätte sie es gewagt, einen zu fangen. In jeder ihrer Geschichten hatten die Barden die Stärke und übermenschliche Geschwindigkeit dieser Wesen gerühmt, ihre Unersättlichkeit und Grausamkeit beschrieben. Wenn dieser Tanner tatsächlich eine Vampirin überwältigt hatte, musste mehr in ihm stecken, als auf den ersten Blick zu entdecken war.
Statt eines Vampirs hatte Elisabeth sich damals zum Zeitvertreib einen Wolfsmenschen am Hofe gehalten.
Lorec
. Bei der Erinnerung musste Elisabeth lächeln. Er war eine dieser verfluchten Seelen gewesen, einsam und seit Jahrhunderten auf der Suche nach einem Platz, an dem er nicht geächtet und nicht verjagt wurde. Für ein bisschen Aufmerksamkeit nahm er alles in Kauf; jede noch so grausame Quälerei, nur weil sie ihm danach die Hand hingestreckt und sein zottiges Kinn gekrault hatte. Sogar in den Turm hatte er ihr folgen wollen.
Bei dem Gedanken an das Verlies fröstelte es sie unwillkürlich. Trotz all der detail- und fantasiereichen Zeugenaussagen ihrer Bediensteten und des Pöbels aus den umliegenden Dörfern rund um Čachtice hatte sich das Schwurgericht damals nicht zu einem direkten Todesurteil durchringen können. Dem Rat des Palatins Graf Georg Thurzó folgend, hatten die Geschworenen daher entschieden, die Gräfin ohne größeres Aufsehen aus der Gesellschaft zu entfernen und dem langsamen Vergessen preiszugeben. Anstatt sie zu den Verbrechern ins Stadtgefängnis zu sperren, mauerte man sie in ihrem eigenen Zuhause ein, vernagelte die Fenster und verbarrikadierte die Tür. Den Wachen war es bei Todesstrafe verboten gewesen, mit ihr zu sprechen oder anderweitig Kontakt aufzunehmen. Das Essen hatte man durch eine schmale Klappe auf Höhe des Bodens durchzuschieben. Und wie sehr sie auch gerufen, geschrien und am Ende gebettelt hatte, niemand hatte Mitleid gezeigt, während sie vor Einsamkeit sich selbst verletzt hatte und schier wahnsinnig geworden war.
»Herrin, stimmt etwas nicht? Ihr seht so blass aus«, fragte Jarosh und sah sich um. »Ist es dieser Ort? Fühlt Ihr ein Brennen? Dann zeigen die Devotionalien vielleicht Wirkung.«
»Nur eine kleine Schwäche.« Elisabeth raffte ihr Brokatkleid zusammen und stand auf. »Ich sehe die Dinge jetzt klarer. Aber bevor ich zurückgehen und mit dem Hexer weitere Schritte besprechen kann, gilt es, ein Bedürfnis zu stillen.« Sie lächelte diabolisch und leckte sich lüstern über die Lippen.
Es war bereits kurz vor Mitternacht, in einer Gasse der Fußgängerzone. Zwischen einer mexikanischen Bar und einem verstaubten Musikladen wies ein unscheinbares Schild über einer schwarz mattierten Stahltür auf den Eingang zur »Alligator Bar« hin, laut Jennys Reiseführer der Geheimtipp für Hardrock-Fans.
Während der Woche schien in dieser Stadt nicht viel los zu sein. Nur vereinzelt wanderten zu so später Stunde Pärchen durch die Straßen. Eine Bande besoffener halbstarker Engländer schwankte lallend und singend an ihr vorbei. Dann war sie wieder allein mit sich und ihrem Trapperrucksack.
Karen hatte sich bereits vor Stunden mit diesem Kiffertypen aus dem McDonald’s verdrückt. Die würde sich garantiert nicht vor morgen früh melden, geschweige denn bewegen können. Jenny hatte nie so recht verstanden, was so toll an einem Joint sein sollte. Klar hatte sie es auch mal versucht am Anfang, aber mehr als bleierne Schwere in den Gliedern und Müdigkeit hatte sich bei ihr nicht eingestellt. Und es kam für sie nicht infrage, härteren Stoff zu schnupfen oder zu drücken. Sie wollte etwas von der Welt sehen, nicht vollgepumpt in einer Ecke liegen und von rosa Kakerlaken fantasieren.
Außerdem hasste sie diese Leute. Die meisten stanken und sahen mehr tot als lebendig aus. Denen war in ihrem Wahn nichts mehr wichtig, nur der nächste Schuss, der nächste Kick, die nächste Dosis, um dem wirklichen Leben zu entfliehen. Jenny hatte Karen auf dem Klo gewarnt, aber die war zu geil auf Abenteuer gewesen, um mit sich reden zu lassen.
»Soll sie doch machen, was sie will«, murmelte Jenny. »Dann mach ich das eben auch. Aber auf meine Weise.« Entschlossen trat sie an die Tür und klopfte.
Sie hörte den wummernden Bassrhythmus von »Asche zu Asche«, einem Top-Ten-Erfolg von
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