Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
zu suchen, schien sie ihn gefunden zu haben.
»Ich bin gekommen, um für Indira, die Frau des Maharadschas, Lebenssaft zu erbitten«, sagte sie, ganz ergriffen von der Situation.
»Amrita willst du von mir?« Der Pfau richtete sich in seiner vollen Größe auf und reckte den Kopf nach hinten. Er spreizte die Flügel, und sein Fächerschweif raschelte.
Nadja bemerkte kahle Stellen auf seiner ihr nun zugewandten Brust, sah die zerrupften Federenden am Ansatz der Flügel und die aschfahlen Hautlappen, die von seinen Beinen hingen, »Bist du krank?«, fragte sie erschrocken.
Der Pfau zuckte mit den Falten an seinen Mundwinkeln, als würde er schmunzeln. »Nicht kränker als du – als die Menschen und jetzt auch die Elfen. Wie du sicher bemerkt hast, ist die Zeit in Jangala eingekehrt. Das heißt, alle, die wir hier leben, sind sterblich geworden. Ich ebenso.«
»Dann sind die Geschichten über das Amrita, Göttertrank und Quelle der Unsterblichkeit, nichts als Märchen? Gibt es sie nicht?« Nadja fühlte sich enttäuscht und von tiefer Verzweiflung gepackt.
Der Pfau lächelte mild, zupfte ein paar Federn zurecht und sagte dann sanft: »Doch, das Amrita gab es, wie es auch die Götter und Dämonen gab, die es erschaffen haben. Aber seither hat sich das Lebensrad viele Male gedreht, und einige der Gestalten sind im Strudel des Vergessens untergegangen.
Damals, als die mittlere Ebene des Kosmos noch aus den zwei großen Kontinenten bestand, die von dem inneren und äußeren Ozean getrennt wurden, kämpften Götter und Dämonen gegeneinander. Unzählige fielen in diesem Krieg, der die Äonen überdauerte. Bis Vishnu, der Vater aller Wesen, schließlich vorschlug, ein Bündnis zu schließen und gemeinsam den Trunk der Unsterblichkeit zu erschaffen, um dem Sterben Einhalt zu gebieten. So geschah es. Devas und Asuras arbeiten das erste Mal zusammen, um Amrita aus den Tiefen des Milchozeans heraufzuholen.
Dafür legten sie die Schlange Vasuki um den Weltenberg Meru und bewegten diesen mit der Kraft von Shesha, der Schlange, um ihn so als riesigen Quirl zu verwenden. Die Dämonen drehten an der einen Seite, die Götter auf der anderen. Tausend Jahre dauerte dieser Prozess, und als der Fels zu sinken drohte, war es Vishnu persönlich, der in Gestalt einer Schildkröte die Last auf sich nahm und ihn fortan stützte.
Der Ozean färbte sich schließlich weiß wie Milch. Alle glaubten sich bereits am Ziel, da spie Vasuki, überanstrengt von der jahrhundertelangen Arbeit, das schreckliche Gift Halahala aus und drohte die Arbeit zunichtezumachen. Das Gift lähmte Götter wie Dämonen, machte sie blind. Sie wären elendig zugrunde gegangen, hätte Shiva nicht Mitleid gehabt. Der Gütige, wie er genannt wird, konnte nicht dabei zusehen. Er eilte hinzu, fing das Gift in einer Schale auf und trank es, bis sich sein Hals davon blau färbte.
Um aber das Negative in etwas Positives umzuwandeln, gab sich Shiva die Gestalt, die für wahre Reinheit steht – meine. Pavo, der weiße Pfau.«
»Dann bist du in Wahrheit eine Gestaltform von Shiva? Jener Pfau, der Götter und Dämonen rettete?«, fragte Nadja.
»Der bin ich. Und ich machte den Göttern verschiedene Kostbarkeiten zum Geschenk. Chandra, den Mond. Uchchaishrava, das weiße Pferd. Das Juwel Kaushtuba, die Wunschkuh Kamadhenu und den Wunschbaum Kalpavrksha.
Nachdem sich die Wogen des Meeres ein wenig geglättet hatten, ließ ich die Göttin Lakshmi aus dem Milchozean steigen, gefolgt von Varuni, der Göttin des Weines, und Dhanvantari, dem Arzt der Götter und Ursprung der Heilkunst. Er trug einen großen Krug bei sich, der das sagenumwobene Amrita enthielt.«
Nadja runzelte die Stirn. »Und jeder, der davon trank, wurde unsterblich?«
»So war es. Doch als der Trunk geborgen war, zerfiel das Bündnis zwischen Göttern und Dämonen. Die unwiderstehliche Lakshmi verwirrte den Geist der Asuras, sodass diese zu spät merkten, dass man sie um die Unsterblichkeit betrogen hatte.
Viel Zeit ist seitdem vergangen. Steter Wandel hat die Reiche von einst auseinanderdriften lassen, bis schließlich jedes für sich in seinem kleinen Kokon bewegungslos eingesponnen dasaß. Aber was zur einen Seite schwingt, wird irgendwann zur anderen pendeln. Nichts ist für die Ewigkeit. Ich nicht und auch die Unsterblichkeit nicht. Das Lebensrad dreht sich unaufhörlich weiter, verändert und erneuert, was geschaffen wurde – es lässt vergehen und neu entstehen.«
Wieder lächelte der Pfau auf so
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