Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
die ganze Anderswelt davon bedroht ist.«
Rian runzelte die Stirn. »Also befindet sich Merlin irgendwo zwischen hier und der Anderswelt?«
Viviane nickte. »Ja. Und jetzt muss ich einsehen, dass es ein großer Fehler war, ihn dort festzusetzen.«
David wies auf den roten Vorhang. »Weil Merlin der Einzige ist, der Melisende retten kann?«
Viviane nickte.
»Wenn Ihr ihn gebannt habt«, hakte Rian nach, »warum befreit Ihr ihn dann nicht einfach wieder?«
»Weil das nicht geht. Merlin und ich waren uns damals einig, dass es das Beste wäre, den Bann unumkehrbar zu machen.« Wieder sah sie David an, und er glaubte ihre Gedanken lesen zu können.
Lasst die Finger von der menschlichen Liebe. Sie verursacht so viele Leiden, dass nicht einmal der große Merlin in der Lage war, sie auszuhalten!
Viviane seufzte. »Ich kann den Bann nicht mehr lösen.«
»Aber wir können es.« David lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte die Beine von sich. »Als Fanmórs Kinder sind wir zu vielen Zauberstücken in der Lage«, sagte er spöttisch.
Viviane nickte langsam. »Ihr wandelt noch nicht so lange in dieser Welt wie ich. Die Gegenwart der Menschen hat Euch bisher kaum verändert.« Diesmal wich sie einem direkten Blickkontakt mit David aus. »Ich glaube, dass Ihr in der Lage sein werdet, Merlin zu befreien – wenn es uns gelingt, die Bedingungen entsprechend zu gestalten.«
»Und wie soll das gehen?«
Viviane stand auf und trat an den Vorhang. Kurz sah es so aus, als wolle sie ihn beiseiteziehen, aber dann ließ sie die Hände wieder sinken. Den Rücken zu den Zwillingen gewandt, sagte sie: »Es gibt besondere, magische Momente. Sekunden oder gar Minuten, in denen die Magie in dieser Welt extrem kraftvoll ist. Besondere Ereignisse können diese magischen Momente auslösen. Ein Erdbeben zum Beispiel oder einer Sonnenfinsternis. Es gab eine überaus kraftvolle Sonnenfinsternis, die uns helfen könnte … im April 1064.«
Sofort lehnte David sich wieder vor. Er wollte etwas sagen, aber Rian war schneller. »Wir sollen in die Vergangenheit reisen?«, fragte sie. Sie wirkte verdutzt, und David konnte sich in ihren weit aufgerissenen Augen spiegeln.
»Ja. Es ist unsere einzige Möglichkeit.« Viviane drehte sich wieder um.
»Aber wir wissen überhaupt nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen!« Die Prinzessin sah nicht so aus, als gefiele ihr der Gedanke, in einer früheren Version der menschlichen Welt herumzustolpern.
David hingegen fand diese Idee durchaus reizvoll. 1064, das war die Zeit des Mittelalters. Er hatte einige Filme über diese Epoche gesehen, und das meiste davon hatte ihm recht gut gefallen. Andererseits jedoch …
Wieder musste er an Nadja denken.
Er spürte den Blick der Herrin vom See auf sich ruhen. »Ich kann Euch nicht zwingen, mir zu helfen«, behauptete sie, doch er glaubte ihr nicht. Immerhin hatte sie sie auch dazu gebracht, hierherzukommen, obwohl alles in ihm sich dagegen gesträubt hatte. »Aber ich flehe Euch an – um Melisendes willen.« Einer der Vorhangringe protestierte mit einem durchdringenden, kreischenden Geräusch, als die Herrin des Sees ihre Finger Halt suchend in den Stoff krallte.
David stieß ein Seufzen aus, blickte abermals auf die einer Toten ähnliche Melisende und fühlte plötzlich, wie er nickte. »Natürlich helfen wir Euch.« Rian starrte ihn überrascht an.
Ein feines, noch immer trauriges Lächeln glitt über Vivianes Gesicht. »Ich danke Euch! Und im Gegenzug für Eure Hilfe verspreche ich, dass ich die Zeit nutzen werde, um nach Nadja zu suchen.«
David neigte dankend den Kopf.
»Aber wir haben keine Ahnung, wie wir in die Vergangenheit gelangen sollen!«, widersetzte sich Rian erneut.
Da ließ Viviane den Vorhangstoff los. »Kommt mit«, sagte sie. »Ich werde es Euch zeigen.«
Sie führte die Zwillinge hinaus aus dem Kaminzimmer. Dabei durchschritten sie offenbar erneut ein magisches Portal, denn auf einmal befanden sie sich nicht mehr in dem Turm, sondern in einem unendlich lang scheinenden Gang, dessen Wände verziert waren mit Gemälden aller Art. David sah düstere Porträts perückenbewehrter Männer und Frauen sowie Bilder von Landschaften voller Anmut und Liebreiz, die jedoch allesamt unbewohnt zu sein schienen. Diese Gemälde strömten so viel Magie aus, dass David schon glaubte, die Gesichter würden im nächsten Moment zu sprechen anfangen und Einhörner und Elfen auf den bukolischen Wiesen auftauchen. Beides geschah jedoch nicht, und
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