Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
Bruder und ich, wir können uns sehr leise bewegen.« Wie beiläufig griff sie nach dem Oberarm der Frau. David konnte die dünnen Fäden aus Elfenmagie sehen, die sie wob. »Wir sind nur zwei Schausteller. Hier ganz in der Nähe gastiert eine Mittelaltertruppe, wissen Sie? Mittelalterliche Musik und so.«
Die Frau stierte einen Augenblick lang auf Rians Hand, dann blinzelte sie verwirrt, wischte sich über die Stirn und nickte schließlich. »So muss es sein. Entschuldigen Sie, dass ich Sie so angeschrien habe! Ich habe mich nur erschrocken, das ist alles.«
»Schon gut. Gehen Sie jetzt zu Ihrer Familie zurück. Die wartet schon auf Sie.« Rian ließ die Frau los, und sie trottete brav wie ein Lamm zurück zum Auto.
Die Zwillinge warteten, bis die Familie eingestiegen war – was der Mann nicht tat, ohne einen misstrauischen Blick in ihre Richtung zu werfen. Als das Auto endlich wendete und den Parkplatz verließ, seufzte Rian auf. »Manche Menschen …« Kopfschüttelnd ließ sie den Satz unvollendet und sah an sich hinunter. »Ganz hübsch«, kommentierte sie und strich sich über die ohnehin schon schmale und durch das Mieder jetzt zu einer Wespenform zusammengeschnürte Taille.
David hatte sich inzwischen dem Menhir zugewandt. »Merlins Eiche ist ungefähr drei Tagesreisen von hier entfernt – sofern wir zu Fuß gehen, wovon wir sicherheitshalber ausgehen sollten.«
Rian sah ihn an. »Woher weißt du das alles?«
Von mir
, war plötzlich Vivianes Stimme in Davids Kopf. An Rians verwundertem Gesichtsausdruck konnte er erkennen, dass auch sie die Herrin des Sees hörte.
Ich habe Euch ein paar nützliche Informationen in den Geist gepflanzt, Prinz David. Denn leider ist es mir nicht nur unmöglich, Euch in die Vergangenheit zu begleiten. Ich kann auch keinen Kontakt mit Euch halten. Ein paar seltsame Naturgesetze der Menschenwelt verhindern das. Aber seid unbesorgt: Alles, was Ihr für Eure Mission wissen müsst, habe ich Euch eingegeben
.
Verwirrt kramte er in seinem Gedächtnis herum; er hatte nicht das Gefühl, dass er mehr wusste als zuvor. Leise kicherte Vivianes Stimme in seinem Kopf.
Seid unbesorgt, wiederholte sie. Das Wissen wird da sein, wenn Ihr es braucht
.
David holte Luft und nickte resigniert. »Gut. Es bleibt uns ja ohnehin nichts anderes übrig, als Euch zu vertrauen. Also Ankunft im Jahr 1064.«
»19. April minus drei Tage fürs Hinkommen, dazu einen Tag zur Sicherheit …« Rian rechnete nach. »Wie wäre der fünfzehnte April?«
»Passt genau.«
Zögernd legte Rian eine Hand an den Menhir und runzelte die Stirn. David tat es ihr gleich. Der Stein war eigenartig warm, ganz ähnlich wie Vivianes Spiegelrahmen.
»Konzentrier dich!«, sagte David zu seiner Schwester.
»Mach ich doch längst. 15. April 1064.« Sie sprach das Datum leise aus, fast ehrfürchtig.
Im nächsten Moment merkte David, wie ihm schwindelig wurde. Die Gegend verschwamm vor seinen Augen. Er taumelte und fiel in ein Loch, das ausgefüllt war mit tintenschwarzer Finsternis.
Als er wieder zu sich kam, befand er sich mitten auf einem Schlachtfeld.
7 Wilhelm der Eroberer
Mitte April 1064, Mündung des Couesnon
»Da sind sie!« Bruder Joscelin streckte den Arm aus und wies in die Ebene jenseits des Flusses Couesnon, der sich vor ihm in mehrere Seitenarme verzweigte und schließlich ins Meer ergoss. Am Horizont, von diesigen Wolken fast verhüllt, ragte die Silhouette des Mont-Saint-Michel in die Höhe und wirkte wie das Abbild eines entrückten Traumschlosses.
Eleanor zügelte ihr Maultier und streckte den vom ungewohnten Reiten schmerzenden Rücken, um dem Fingerzeig ihres Begleiters zu folgen. Tatsächlich! Vor ihnen befand sich ein großes Heer. Berittene Soldaten und eine Menge Fußvolk rückten langsam auf den Fluss zu, dazwischen immer wieder Karren von Marketendern, deren massige Ochsengespanne zwischen all den Menschen und Pferden wie Felsen in der Brandung wirkten. An der Spitze dieses Heeres befand sich eine kleine Gruppe von Berittenen, die in leuchtende Farben gekleidet waren.
Ein Mann in rotem Waffenrock ritt ihnen voraus. »Das ist Wilhelm, Herzog der Normandie«, erklärte Joscelin.
Vor Erleichterung seufzte Eleanor auf. »Wir haben ihn endlich gefunden.«
Der Mönch nickte. Seine Miene wirkte grimmig, und Eleanor wusste, dass er nicht besonders froh darüber war, dass ihre gemeinsame Reise ein Ende fand. Sie musterte ihn unauffällig. Die letzten Tage und Wochen – im Grunde, seit sie den
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