Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
eben am Fluss.«
»Du hast nicht mich gesehen«, vermutete er, »sondern Dafydd.«
Zaghaft nickte sie. »Ich weiß nicht, warum ich weggelaufen bin«, gestand sie. »Seit Wochen träume ich von Dafydd, aber als ich eben dachte, vor ihm zu stehen, da …« Sie machte sich aus Guys Umarmung los und sah ihm mit tränenblinden Augen ins Gesicht.
In seinen Zügen arbeitete es heftig, und sie wusste, dass ihn ihre Worte verletzt hatten. Er mochte sie, mehr noch, er begehrte sie; das wurde ihr in diesem Augenblick bewusst, als sie spürte, wie sich etwas an ihrem Oberschenkel zu rühren begann. Mit einem Ruck machte sie sich los, und Guy trat einen Schritt zurück.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Dafydd …«
»Er braucht dich«, sagte Guy, und trotz seiner bemüht ruhigen Stimme lag Verzweiflung in seinen Worten. »Lass uns sehen, dass wir ihn endlich finden. Etwas geschieht bald, das spüre ich. Die Sonne, sie wird …« Als sei er sich seiner Nacktheit endlich bewusst geworden, sah er an sich hinunter, drehte sich auf der Ferse um und ging davon.
Verwirrt und mit einem Herzen voller Traurigkeit blieb Eleanor zurück.
Zwei Tage später
»Da ist es!« Auf einer Hügelkuppe zügelte David das Pferd, das er dem Wirt abgekauft hatte, und wies in die vor ihnen liegende Senke.
Den gesamten Weg vom Gasthaus bis hierher hatte David sich auf das Wissen verlassen, das die Herrin vom See ihm eingegeben hatte. An jeder Wegkreuzung hatte er instinktiv gewusst, wohin er sich wenden musste, und wenn sie einen Fluss erreichten, wusste er, ob sie sich rechts oder links halten oder ihn gar überqueren mussten. Auf diese Weise waren sie sicher und wohlbehalten an ihrem Ziel angekommen. Vor ihnen lag der Felsen, den David die ganze Zeit in seinem Geist gehabt hatte. Ein Felsen, der die Form eines dicken Wales hatte, der Endpunkt ihrer Reise.
Rian hielt ihr Pferd neben dem von David an und hob zum Schutz gegen die gerade erst aufgegangene Sonne eine Hand vor die Augen. »Zum Glück«, sagte sie so leise, dass Kenneth und die anderen es nicht hören konnten. »Jetzt müssen wir nur noch den richtigen Baum finden. Und diesen Finsterling davon überzeugen, dass Sebastian kein Schwarzmagier ist.«
»Letzteres wird hoffentlich die Sonnenfinsternis für uns erledigen«, sagte David. »Aber das andere – nun ja.«
Er ballte die Hände zu Fäusten. Aus irgendeinem Grund endete seine Weisheit genau an dieser Stelle. Ob es wieder einmal elfische Spielerei war oder ob ihr eigener, unauflöslicher Bann Viviane daran hinderte, den Zwillingen den genauen Standort der Eiche zu nennen, wusste er nicht – es war egal. »Der Eichenwald, den wir finden müssen, liegt genau nördlich des Felsens.« Er drehte sich und maß den Stand der Sonne mit den Blicken ab. »Da irgendwo ist Osten«, sagte er, wedelte in die grobe Richtung der Sonne und wendete sein Pferd ein Stück, sodass er ihr die rechte Schulter zuwies. »Dann müsste da Norden sein.« Seine Hand wanderte von einer Seite auf die andere und umfing dabei einen Sektor von fast einem Viertelkreis.
Rian sprang aus dem Sattel. »Das ist viel zu ungenau!«, klagte sie. »Wenn wir nicht exakt Richtung Norden gehen, finden wir den Baum doch nie im Leben!« Sie fluchte leise vor sich hin, während sie sich umsah. Das Unterholz rings um den Felsen war dicht und grün wie der reinste Urwald. In dem Gebiet, das David umrissen hatte, mussten mindestens viertausend Eichen stehen und Millionen von anderen Bäumen dazu.
»Wir hätten in der Nacht auf den Polarstern achten sollen«, murmelte David. »Aber daran habe ich überhaupt nicht gedacht.« Auch er ließ sich aus dem Sattel gleiten. Sein Pferd senkte den Kopf und rupfte ein paar Grasbüschel ab. David lehnte sich gegen das Tier und fuhr mit beiden Händen durch die strubbeligen blonden Haare.
»Klar, weil du nicht wissen konntest, dass Viviane uns nicht bis ganz zum Ziel führen wird. Jetzt ist es ohnehin zu spät. Heute Nachmittag ist die Sonnenfinsternis. Wir haben keine Nacht mehr, um den Polarstern zu suchen.«
David hörte die aufkeimende Verzweiflung in Rians Stimme. Auch ihn drohte die Angst vor dem Scheitern einzuhüllen. Was, wenn sie den einen Moment verpassten, in dem es möglich war, Merlin zu befreien? Würde Viviane sich dann weigern, ihm bei der Suche nach Nadja zu helfen? Was, wenn sie sogar so wütend über ihr Scheitern wurde, dass sie ihn und Rian nicht mehr aus ihrem Schloss ließ?
Ganz plötzlich wandelte sich seine
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