Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
zurückzuholen, sonst wäre es schon längst geschehen.«
Er sah sie an. Das Schweigen dehnte sich aus, wurde nur vom Summen der Kugel und dem Heulen des Windes unterbrochen. »Zweifelst du an mir?«, fragte er nach einer Weile leise.
Es ist so weit
, dachte Anne.
Jetzt wird er mich umbringen
.
»Nein«, antwortete sie.
Bevor sie etwas hinzufügen konnte, fuhr er fort: »Habe ich je etwas Unmögliches von dir verlangt?«
»Nein.«
»Und doch widersprichst du.« Er nahm ihr den Papyrus aus der Hand und wandte sich ab. »Ich werde dich nicht dafür bestrafen«, sagte er zu Annes Überraschung, »da du nicht verstehst, was hier geschieht. Du hast recht. Niemandem ist es bisher gelungen, den Einbruch der Zeit rückgängig zu machen. Doch niemand außer mir hat je versucht, das auf dieses Traumreich, in dem wir uns befinden, zu beschränken. Und niemand außer mir besitzt die drei Aspekte, die man dazu benötigt.«
Er zählte sie an seinen langen, sehnigen Fingern ab. »Meine Macht, dieses Ritual und den Jungen.«
»Talamh?«, fragte Anne. »Ist er hier im Palast?«
»Catan passt auf ihn auf. Der Junge schreit nicht, wenn er in seiner Nähe ist.« Ihr Vater legte den Papyrus wieder auf den Tisch, dann drehte er sich zu Anne um.
»Das Ritual wird seine wahre Macht offenbaren, sobald Talamhs Blut fließt.« Er sah Anne an. »Stört dich diese Vorstellung, Kind?
»Nein, Vater.«
»Gut.«
Anne dachte an Nadja und ihre lange Reise, an deren Ende sie nun doch gescheitert war. Sie fragte sich, ob das, was sie in diesem Moment fühlte, vielleicht Bedauern war. Robert hätte es gewusst, aber er und Nadja spielten keine Rolle mehr.
Anne war nach Hause gekommen, und in diesem Zuhause regierte ihr Vater.
25 Der Pfad
Jimmy spürte die Hand seines Großvaters schwer auf der Schulter liegen. Sie sollte wohl trösten, aber Jimmy hatte nur Wut und Enttäuschung in sich. Er wollte fragen, was passiert war, warum David und Rian sich allein aufgemacht hatten, diese Höhle zu erkunden, warum er nicht hatte mitgehen dürfen und warum es Magie wirklich gab.
Doch ein gepresstes »Warum?« war das Einzige, was er nach unendlich scheinenden Sekunden herausbekam.
Tamati drückte die Schulter seines Enkels mitfühlend. »Du musst es glauben, Jimmy. Du musst glauben, dass die Geschichten wahr sind. Es
gibt
eine Anderswelt. Und sie will gehütet werden. Das wissen die beiden. Nur das ist der Grund, aus dem sie hier sind und warum sie uns diesen Gefallen tun.«
Dass sein Großvater ihn »Jimmy« nannte und nicht Raunga wie sonst, überzeugte Jimmy Raunga Roimata mehr als alles andere davon, dass er dabei war, ein großes Geheimnis zu ergründen. Eines, das er bisher nicht für möglich gehalten hatte. Er hatte Davids spitze Ohren gesehen und Rians Gesang gehört, der nicht von dieser Welt war. Die Vögel gehorchten ihr.
Also war auch alles andere wahr. Maui hatte gelebt.
Es war beinahe zu viel für einen Sechzehnjährigen, der bis zum Vorabend nichts anderes im Kopf gehabt hatte, als bei der nächsten Runde von
World of Warcraft
als Taure die Allianz zu schlagen.
Er klappte ein paarmal den Mund auf und zu, als wolle er etwas sagen. Sein Großvater ließ ihm Zeit.
»Ist David heute früh nicht aus dem Versammlungshaus gegangen, weil Tante Whetu ihn verhext hat?«, fragte Jimmy schließlich.
Tamati lachte leise. »Tante Whetu hat die Ahnen gebeten, David den Willen zu nehmen, das Haus zu verlassen. Das ist keine großartige Hexerei.«
»Kann ich das auch lernen?« Jimmy sah seinen Großvater fragend an.
Tamati lächelte verhalten. »Nichts anderes will ich von dir.«
»Und darf ich trotzdem in Wellington Informatik studieren?«
Tamati lachte. »Das sollst du sogar. Aber das besprechen wir später. Jetzt müssen wir uns um die beiden Andersweltler kümmern.«
»Kümmern? Aber ich dachte ...«
»Nun, wir können ihnen nicht in die Höhlen folgen. Die Ahnen würden es verhindern; ganz ähnlich, wie Tante Whetu heute Morgen verhindert hat, dass der Elfenprinz das
whare hui
verlässt. Wir Maori kämen hier keinen Schritt weit, selbst wenn es Maui tikitiki-o-Tarangas Freunde nicht mehr gäbe, die getreu sein Grab bewachen. Aber es gibt noch eine ganze Menge anderer Dinge, die wir tun können, um sie zu unterstützen. Und du wirst uns dabei helfen.«
Rian hatte immer noch eine Taube auf der Hand sitzen, als sie an der Felsnadel ankam, die den Eingang in die Höhle markierte. David, der sie inzwischen überholt hatte, erwartete sie
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