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Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes

Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes

Titel: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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war ...
    Ein Zug hinter tief hängenden Kapuzen verpackter Menschen kreuzte seinen Weg. Mit ihren kurzen Lederpeitschen hieben sie sich mit jedem Schritt über die Schulter und murmelten Unverständliches. Es waren Flagellanten. Solche Menschen mit religiösen Wahnvorstellungen waren im Mittelalter über Land gezogen, um sich mit selbst auferlegten Qualen von Sünden zu reinigen. Meist taten sie dies nach Epidemien wie Pest und Cholera, die für sie Strafen Gottes darstellten.
    Sind diese Vermummten denn überhaupt Menschen?
, fragte sich Robert.
Oder ist einer von ihnen der Getreue, der Verbündete der Königin Bandorchu?
    Die Flagellanten wechselten die Richtung und kamen nun direkt auf ihn zu. Fackeln wurden geschwenkt, während die monotonen Laute, die sie ausstießen, eine neue, schmerzvolle Qualität gewannen.
    Träumte er? Unterlag er Phantasmagorien, die seinem gequälten Geist entsprangen? Robert blickte sich nach links und rechts um, suchte nach einem Fluchtweg.
    Da! Eine schmale Gasse, kaum breit genug, um ihn durchzulassen. Der Zugang zu einem sogenannten
Snickelway
, für die York berühmt und berüchtigt war. Es handelte sich dabei um ein Netz schmaler Gässchen, meist als Verbindung zwischen zwei parallelen Straßenzügen gedacht, die die Jahrhunderte überdauert hatten. Flüchtig las Robert das Emailschild über dem Zugang: »Mad Alice Lane«, stand da geschrieben. Der Snickelway war nach einer Frau benannt, die im 19. Jahrhundert ihren Mann grausam vergiftet hatte und daraufhin hingerichtet worden war.
    Er lief hinein, raste, so schnell es ging, durch den unbeleuchteten Durchgang, erreichte die Quergasse und wählte wahllos eine Richtung. Weiter, immer weiter rannte er, bis ihm die Luft ausging. Bis das pulsierende Blut an seinen Schläfen so stark klopfte, dass ihm schwindelte.
    Es ging nicht mehr. Entkräftet fiel Robert auf die Knie, die Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Sie zitterten unkontrolliert, und er fühlte sich plötzlich unendlich schwach. Trotz der Kälte der Nacht brach ihm der Schweiß aus. Essig und Zigaretten schwangen in seinem Geruch mit. In diesem Moment fühlte sich Robert Waller wie ein Clochard.
    Nach einer Weile fand er wieder die Kraft, sich an einer Hauswand aufzurichten. Neben ihm befand sich die karg beleuchtete Auslage einer Fleischerei. Ein Schweinskopf starrte an ihm vorbei auf die enge Straße; mit Fensterfarben war davor der gehängte Guy Fawkes aufgemalt.
    Eine Gruppe von Jugendlichen strömte vorbei. Die Burschen hielten armlange Kerzen und wiesen ihren kichernden Begleiterinnen den Weg durch das Gassengewirr. Das flackernde Licht erzeugte tanzende Schatten an den Häuserfronten ringsum. Die Halbwüchsigen erzeugten Geräusche, die er nicht mochte.
    Sie lachten.
    »Hört auf!«, schrie er ihnen auf Englisch entgegen. »Ihr habt kein Recht, fröhlich zu sein!«
    Ein Junge mit Irokesenschnitt drehte sich ihm zu, gewahrte ihn im Halbdunkel des Hauses und zeigte ihm den Stinkefinger. Seine Freundin kicherte und drückte ihm einen festen Schmatz auf den Mund, um gleich darauf einen Schluck aus einer Springwater-Flasche zu nehmen. Die Teenager marschierten weiter, kümmerten sich nicht mehr um Robert. Sie sahen in ihm einen alten Mann, der es nicht wert war, sich näher mit ihm auseinanderzusetzen.
    Wo war Nadja geblieben?
    Robert erinnerte sich; er hatte sie zurückgelassen, war davongelaufen.
    Tränen schossen ihm aus den Augen, ohne dass er es verhindern konnte. Die salzige Flüssigkeit zog ihre Bahnen hinab zu seinen Mundwinkeln, von dort übers Kinn, um schließlich lautstark zu Boden zu klatschen.
    »Ruhe!«, brüllte Robert. »Seid endlich ruhig!«
    Der Mann eines verschränkt dahinschlendernden Pärchens drehte sich ängstlich zu ihm um. Er hieß seine Begleiterin, schneller zu gehen. Das klappernde Geräusch zweier Paar Schuhe auf dem Naturstein entfernte sich rasch.
    Stille trat ein. Es schien, als hätte York nach Roberts aus Verzweiflung geborenem Gefühlsausbruch den Atem angehalten. Das Minster war weit weg; nur ab und zu wehte ein Akkord heran. Mittlerweile musste die angekündigte Band
The Police
mit ihrem Gig begonnen haben.
    Sein Magen revoltierte. Er drehte sich beiseite und würgte. Alles, was er zu sich genommen hatte, kam hoch. Es war ihm, als wehrte sich sein Körper gegen den heutigen Tag.
    Warum nur hatte er den Auftrag angenommen? Er könnte nun in seiner Wohnung in München sitzen, umringt von Erinnerungsfotos, die ihm halfen, die

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