Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
David Scott von der Labour Party, folgte als Nächster. Dann unter großem Jubel Dame Judi Dench gemeinsam mit ihrem Schauspielerkollegen Peter Woodthorpe; beide konterkarikierten mit trockenem Humor die langweiligen Auftritte ihrer Vorredner. Auch der Wächter mit der Hellebarde vor ihnen, der seinen Flachmann mittlerweile bis zum letzten Tropfen geleert hatte, jubelte dem Pärchen mit roten Wangen zu.
Die Bühne verdunkelte sich. Erwartungsvolle Stille kehrte ein. Ein Spot fing eine einsame Gestalt ein, die mit wuchtigen Schritten an den Vorderrand des Podests trat.
»Darby O’Gill!«, sagte Nadja. »Ein Firmenchef, der sich selbst so wichtig nimmt, dass er seinen Auftritt nach den Honoratioren absolviert.« Sie kniff die Augen zusammen. Wie sie es immer tat, wenn sie überrascht war. »Ich bin neugierig, was er zu sagen hat.«
Der groß gewachsene Kerl trug mittlerweile einen schneeweißen Anzug mit schwarzer Krawatte. Sein feuerrotes Haar fiel wild über die Schulter.
Er wirkt nun noch kräftiger, noch eindrucksvoller, als ich ihn vom Hotel her in Erinnerung habe
, dachte Robert.
»Liebe Leute von Yorkshire!«, rief Darby O’Gill so laut, so kräftig, dass man annehmen konnte, er brauchte das Funkmikrofon an seinem Revers gar nicht. Er sprach Englisch ohne jedweden Akzent. Nichts deutete darauf hin, dass er Gälisch als Muttersprache besaß. »Seit mehr als vierhundert Jahren feiert England die Zerschlagung des schändlichen Attentats auf unser Königshaus.«
Leiser Applaus erklang. Der groß gewachsene Mann beeindruckte, ja ängstigte die Menschen im Publikum mit seiner mächtigen Präsenz.
»Guy Fawkes, manchmal auch Guido Fawkes genannt, war ein Kind der Stadt York«, fuhr O’Gill fort. »Ein religiöser Mensch, ein katholischer Gläubiger, der mehrere Jahre in Spanien und Frankreich verbrachte. Im Herbst des Jahres 1605 bereitete er gemeinsam mit zwölf Mitverschwörern einen Anschlag auf das Parlamentsgebäude und auf König James den Ersten vor. Weil die Verräter aber einen Judas in den eigenen Reihen hatten, konnte ihr Sabotageakt rechtzeitig verhindert werden.«
Nicht der Inhalt des Gesagten ließ die Zuhörer in erwartungsvoller Stille verharren. Es war das
Wie
, mit dem Darby O’Gill die Menschen in seinen Bann zog. Er zwang ihnen seine Persönlichkeit auf, machte sie zum Resonanzkörper seiner weithin tragenden Stimme.
»Es gibt Orte wie Lewes, die traditionell vom Trubel rings um den fünften November leben. Gewaltige Feuerwerke, riesige Scheiterhaufen, dreitägige Konzerte mit alter und zeitgenössischer Musik, die zeremonielle Verbrennung des Guy – dies wird dort in aller Ausführlichkeit zelebriert.« Darby O’Gill war leiser geworden, um nun wieder mit der vollen Wucht seiner Stimme fortzufahren.
»Diese Festivitäten mögen beeindrucken und zur Bedeutung des regionalen Tourismus beitragen.« Er klopfte mit der Faust in die hohle Hand. »Aber ich verspreche euch: Guy Fawkes in York wird von diesem Tag an noch größer, noch bedeutender, noch bombastischer werden als in anderen Städten. York wird in Zukunft keinen Vergleich mehr zu scheuen brauchen.«
O’Gills Stimme rollte über seine Zuhörer hinweg, ließ sie klein und unbedeutend erscheinen. Er spielte auf der Klaviatur menschlicher Empfindungen, dirigierte mit seinen Händen, riss die Menschen zu Begeisterungsstürmen hin. Robert klatschte und jubelte und schloss sich den allgemeinen Beifallsbekundungen an, ohne dass er sich dagegen zu wehren vermochte.
»Das klingt reichlich oberflächlich«, sagte Nadja, nachdem der Applaus nachgelassen hatte. Sie war ruhig geblieben, schien aus irgendeinem Grund gegen den Enthusiasmus, den O’Gill ausstrahlte, immun zu sein.
Robert wollte zu einer Entgegnung ansetzen; doch schon fuhr der Sprecher auf der Bühne fort: »Es wird weitere Überraschungen geben, die ich hier noch nicht verraten möchte. Nur so viel: Über die ganze Stadt verteilt befinden sich Stände, bei denen die Nacht hindurch die Getränke der Darby O’Gill Distillery umsonst verkostet werden können. Ganz besonders möchte ich auf den neuen Drink mit dem Namen
Springwater
hinweisen ...«
Der Rest seiner Worte ging in unglaublichem Jubel unter. Freigetränke waren ein Thema, mit dem man die Seele jedes anständigen Engländers kaufen konnte.
Darby O’Gill verbeugte sich und verließ die Bühne. Der Mann wusste nicht nur zu reden, sondern auch im richtigen Moment zu schweigen. Er machte Roadies Platz, die die
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