Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
zerteilten das Wasser und störten die Beschaulichkeit des Augenblicks. Gelächter wehte vom Schiff herüber.
Am gegenüberliegenden Ufer schoss zischend ein erster Feuerwerkskörper hoch. Unter lautem Geknatter explodierte er zu einem rotweißen Feuerstrauß. Menschen lehnten sich allerorts aus den Fenstern, während weitere Raketen die Dunkelheit zerteilten.
Robert marschierte die Uferpromenade entlang und hielt sich dabei möglichst im Schatten der Wohnhäuser. Die Gebäude wirkten schäbig und nachlässig gepflegt; unbestimmbarer Geruch ging von ihnen aus. Moder oder Feuchtigkeit vielleicht. Dennoch fühlte er sich in der Dunkelheit wohler als im Licht explodierender Feuerwerkskörper.
Es ging hinab, unter der Micklegate Bridge hindurch, auf der anderen Seite wieder nach oben. Das nächste beleuchtete Gebäude, vor dem sich eine Menschentraube versammelt hatte, musste das King’s Arms sein.
Robert blickte in rotwangige, zerknitterte Gesichter. Allesamt waren sie Engländer und allesamt Einheimische, wie am Dialekt unschwer zu erkennen war. Die Umgebung mochte auf Touristen nicht besonders anziehend wirken. Proppenvoll gefüllte Misteimer standen umher, ausgebleichte Plastikcontainer, riesige hölzerne und aufeinandergestapelte Kabeltrommeln sowie rostige Stahlseile. Eine Möwe krächzte ihre Empörung über die nächtliche Ruhestörung übers Wasser, und aus einer dunklen Ecke dröhnte das Gejaule zweier Hunde, die sich um ein Stück Fleisch stritten.
Robert zögerte. Warum in Dreiteufelsnamen sollte er sich ausgerechnet hier unter die Menschen mischen? Soeben erst war er davongelaufen, weil er die Enge vor der Bühne am Minster nicht mehr ausgehalten hatte. Was trieb ihn vor sich her, was ließ ihn so wankelmütig handeln?
Eine kräftige Hand krachte auf seinen Rücken. »Howyadooin, laddie?«, begrüßte ihn Seamus mit lauter Stimme. »Freut mich, dass du gekommen bist. Die Hütte sieht zwar aus, als könne sie jeden Moment zusammenbrechen, und der Landlord ist ein alter, stinkender Bastard – aber das Ale schmeckt hervorragend. Zumindest vom achten Pint aufwärts.« Der Engländer lachte, als hätte er einen besonders guten Witz gerissen, nahm Robert beim Arm und zog ihn mit sich, hin zum King’s Arms, an den angeregt diskutierenden Gästen vorbei.
Das Pub war wie leer geräumt. Fast alle Gäste hatten sich ins Freie begeben, um dort das Feuerwerk zu beobachten. Lediglich an zwei Tischen saßen vereinsamte Gestalten über ihre Getränke gebeugt. An einem Fensterplatz stierte eine Frau mit seltsamem Käppchen ins Freie. Sie hielt Robert den Rücken zugedreht. Die kaum zu bändigende Haarpracht schaute unter dem Hut hervor und rahmte ihren Kopf ein wie Stacheldraht.
Ein Feuer knisterte leise vor sich hin, durch schmale Torfstreifen genährt. Die Wände waren vom Nikotin bittergelb gefärbt. Verbleichte Ankündigungsplakate, zwischen zehn und zwanzig Jahre alt, verdeckten notdürftig die Risse im Mauerwerk. Die Vorderfront der halbrunden Bar war von zerschnittenen Kaffeesäcken abgedeckt. Aus den Sitzflächen zweier Hocker schaute zerbröselnder Schaumstoff hervor. Keine Sitzgelegenheit glich der anderen.
»Ich habe schon schönere Pubs von innen gesehen«, murmelte Robert, »aber auch hässlichere.«
»Wie bitte, Freund?«, fragte Seamus gut gelaunt. Er wirkte munterer als noch vor ein paar Stunden.
»Es ist hübsch hier«, log Robert.
»Blödsinn! Das King’s Arms ist eine verkommene Kaschemme. Ein Schandfleck, der in keinem Pubführer des Landes auch nur erwähnt wird.« Er seufzte und lächelte glückselig. »Und damit verirrt sich auch kaum einmal ein Tourist hierher.«
»Ich bin aber einer.«
»Ich erkläre dich hiermit zum Engländer ehrenhalber«, rief Seamus und klopfte ihm neuerlich auf den Rücken. »He, Wirt! Wird man in diesem lausigen Schuppen denn auch bedient, oder muss mein Freund verdursten?«
Ein zerschlissener Vorhang hinter der Bar zerteilte sich. Ein breit gebauter Mann kam zum Vorschein. Soeben trocknete er seine Hände an der verschmutzten Küchenschürze ab. »Wolltest du nicht austrinken und endlich nach Hause gehen, Seamus?«, fragte er mit leiser Stimme, die so gar nicht zur imposanten Gestalt des Wirts passte.
»Gerade wollte ich gehen, ich schwör’s! Da kam mir Robert entgegen. Ein alter Freund, Angus, von dem ich dir vielleicht schon mal erzählt habe.«
Robert fühlte sich von unten bis oben gemustert. Angus’ Blicke waren stechend und unangenehm. »Du hast
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