Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
über Sorten und Geschmäcker gemacht, über die Unterschiede zwischen irischem Whiskey und schottischem Whisky; über die verwendeten Getreidearten – und schon gar nicht über die unendlich liebevollen, manchmal über Jahrhunderte gepflegten Traditionen.
Mit ein paar Blicken hatte ihn Angus gewogen und für zu leicht befunden; seine Unsicherheit und seine Probleme richtig eingeschätzt und ihm ein Getränk vor die Nase gestellt, das punktgenau zu ihm passte. In diesen Momenten war es ihm, als säße er im Zelt eines Hellsehers, dessen Wahrsagerkugel-Prognosen haargenau zutrafen und der ihm auch die Lösung all seiner Probleme versprach. Der Lokalbesitzer hatte ihn vollends überrumpelt. Wollte er vor fünf Minuten das Pub noch verlassen, so empfand er nun Dankbarkeit für jenes seltsame Schicksal, das ihn hierher geführt hatte.
Die Yorkshirians scherzten mit dem Wirt, während er ihre Getränkewünsche erfüllte. Stoisch und ruhig arbeitete er. Jeder Handgriff saß, keinen Wunsch lehnte er ab, für jedermann hatte er ein freundliches Wort übrig.
»Ich habe eine Portion baked beans über«, sagte Angus und knallte ihm einen Teller vor die Nase.
»Ich habe keinen Hunger, und ich hasse rote Ketchup-Sauce mit gekochten Blähbohnen.«
»Du machst dich soeben über ein englisches Nationalgericht lustig, mein deutscher Freund.« Drohend beugte er sich nach vorne. »Du benötigst außerdem eine Essensgrundlage.«
Robert spürte plötzlichen Heißhunger. Der Duft der Tomatensauce kitzelte seine Nase, die weißen Bohnen blinkten lockend aus dem matschigen Sud hervor. »Ich mach es, allerdings unter Protest«, sagte er lahm, griff zu Gabel und Löffel und begann zu essen. Mit dem beigelegten Toast tunkte er den Tomatensaft auf.
Es schmeckte köstlich.
»Protest zur Kenntnis genommen.« Angus eilte weiter, ohne die Miene zu verziehen.
Robert nahm die ungewohnte Mahlzeit mit der nötigen Ruhe ein, trank stilles Wasser und ab und zu einen Schluck Whisky.
Ein Böllerschuss erschütterte das Gebäude. Irritiert blickte der Fotograf aus dem Fenster. Weitere Feuerwerkskörper schossen in den nächtlichen Himmel. Diesmal wurden die Raketen von dieser Seite der Stadt aus gestartet. Wieder packten die Gäste des Pubs einander am Arm und strömten hinaus. Müde lächelnd verweigerte sich Robert dem Zugriff einer drallen Blondine mit Aknenarben auf den Wangen. Sie zwinkerte ihm heiter zu und schnatterte irgendetwas in ihrem fürchterlichen Dialekt. Robert verspürte keinerlei Lust nach weiblicher Gesellschaft, und wenn sie ihm noch so viel versprechende Signale vermittelte.
Er löffelte die letzten Bissen der baked beans in sich hinein. Ein Gefühl angenehmer Sättigung machte sich breit. Jene Unruhe, die ihn seit Stunden im Griff hielt, war fast vorüber.
Eine Rakete, die sich in mehrere Arme auffächerte und deren Spitzen nochmals explodierten, zauberte grünes, gelbes und rotes Licht in das Halbdunkel des King’s Arms. Robert sah den Spritzspuren nach, die wie Lamettastreifen über den Himmel glitten und für mehrere Sekunden dort hängen blieben.
Auch die Frau am Fenster sah aufmerksam zu. Nachdem die letzten Lichtstreifen erloschen waren und kleineren, weniger beeindruckenden Explosionsblüten Platz machten, nahm sie ihr Käppi ab und schüttelte das wuschelige Haar aus. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Es war blass und schmal und zeigte, während sie die Mundwinkel zu einem Lächeln hochzog, einen kecken, aber auch ein wenig ordinären Anstrich. Ihre Augen waren stechend, schmerzhaft stechend.
Wie elektrisiert blieben seine Blicke an ihr hängen. Sein Herz schlug schneller. Das war
sie!
Die Sängerin! Sie wandte sich ab, zog eine Klarinette aus einem Ledersack und zwinkerte ihm neckisch zu.
7 Gofannon
Folter und Entscheidung
Schattenknechte, deren subtile Foltermethoden keine äußerlich erkennbaren Wunden hinterließen, hatten alles aus ihm herausgesaugt. Er war leer gepumpt, bar jeden Wissens und fast aller vernünftigen Gedanken. Gofannon fühlte sich wie ein Kriechtier, das es nicht einmal mehr schaffte, den Kopf zu heben. Selbstachtung und Selbstbewusstsein waren ihm abhandengekommen, Mut und Stärke genommen worden.
»Schätzchen ist nichtsss mehr wert«, sagte der dunklere der beiden Schattenknechte. »Wir haben ihm allesss abgesaugt. Es wird Zeit, dass wir das Schätzchen entsorgen.« Er umtänzelte einen verirrten Lichtstrahl und zog sich in seine Lebenskuhle zurück. An jenen Ort, wo er seinen Geist
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