Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
musste einen Weg zurück finden, und die Lösung lag eigentlich auf der Hand.
Er musste dem Fluch Fanmórs gehorchen – und anschließend sterben.
Es blieben ihm ein paar Wochen Zeit. Meist verbrachte er sie mit seinen Mitverschwörern. Er durchforstete das Bewusstsein des Marcus Iunius und gab sich Mühe, diesen Menschen besser zu verstehen. Was ihn antrieb, wie er funktionierte, welche Wertigkeiten er setzte. Eigentlich trennten sie beide nur minimale Unterschiede. Unschärfen in der Wahrnehmung vielleicht und eine gänzlich andere Auffassung von materiellem Besitztum.
Wie erfasste Marcus Iunius seine, Gofannons, Existenz? Wusste er, dass da in seinem Kopf ein Fremder das Kommando übernommen hatte? War er sich dieses Wesens bewusst?
Wahrscheinlich nicht. In dieser göttergläubigen Zeit sahen die Menschen das Wirken Jupiters oder Heras in allem, was sie nicht verstanden. Eine Sonnenfinsternis wurde ebenso den höheren Mächten zugeschrieben wie ein Erdbebenstoß oder eine Überschwemmung. Liebe, Leidenschaft und andere Emotionen wurden von versinnbildlichten Göttergestalten überbracht. Marcus Iunius mochte also glauben, dass er besessen und das Werkzeug einer höheren Macht sei. Dass er dagegen nicht angehen konnte.
Die Sitzung des Senats mündete in langwierigem Gefasel, das schier nicht enden wollte. Ermüdete Männer erhoben sich schließlich, kümmerten sich nicht mehr um die Hauptredner. Sie tranken Wasser aus bereitgestellten Tonkrügen und fanden sich zu Diskussionen in kleinen Gruppen zusammen.
Marcus Iunius stieß Gaius an und deutete, ihm hinaus zu folgen. Mit verstohlenen Bewegungen informierte er die Mitverschwörer, dass der Moment gekommen sei. Überall lösten sich Gestalten aus den Schatten der Säulen und machten sich auf den Weg. Hinaus, ins Freie. Es herrschte miserables Wetter. Starker Wind wehte Blätter umher, die seit dem vergangenen Herbst in verborgenen Winkeln liegen geblieben waren.
Ein schlechtes Omen!
, dachte Marcus Iunius, und Gofannon musste beruhigend auf ihn einwirken.
Gaius sagte: »Es wird heute geschehen! So kann es nicht weitergehen. Der Tyrann maßt sich immer mehr Rechte an. Er will die Republik und uns alle ins Unglück stürzen ...«
Kein Wort verlor er über seine eigenen, persönlichen Ziele; es war auch nicht notwendig. Alle, die herbeigeeilt kamen, hatten ihre Gründe für die schändliche Tat, die sie begehen würden. Eitelkeit, Machtgier, aufrechte Liebe zur Republik, Habsucht.
»Er kommt!«, sagte jemand.
Gofannon und Marcus Iunius griffen gemeinsam zur Waffe, ihre Mitverschwörer ebenfalls. Manche taten es mit ängstlichen und blassen, andere mit entschlossenen Gesichtern. Das Theater des Pompeius auf dem Marsfeld, in dem der römische Senat ab und zu seine Sitzungen abhielt, sollte Schauplatz einer ganz besonderen Tragödie werden.
»Ave!«, rief irgendwer, als Iulius Caesar die marmornen Stufen herabgeschritten kam.
»Ave!«, riefen manche der Mitverschwörer, als sie den Tyrannen einkreisten. Messer wurden gezogen. Arme reckten sich nach oben, fuhren steil nach unten.
Ein erstickter Schrei. Blut spritzte. Die Leibgarde, völlig entsetzt, ließ sich abdrängen. Ihr Kommandant gehörte zu den Verschwörern. Er verhinderte das Eingreifen der Elitesoldaten.
Dreiundsechzig Mann waren sie. Nicht alle stachen zu. Manche standen einfach da und beobachteten, wie der große Feldherr und Herrscher starb. Gaius, sein Schwager und Freund, den sie Crassus nannten, trat zum Sterbenden. Er deutete den Stich unterhalb des Brustbeins lediglich an. Caesar war ohnehin schon dem Tode geweiht. Dann ging er beiseite und nickte Marcus Iunius auffordernd zu.
Gofannon kam näher. Er musste den Fluch erfüllen. Er musste Fanmórs Vorgaben erfüllen, musste zum Verräter werden und die Schandtat begehen.
Iulius Caesar drehte den Kopf in seine Richtung. Sein Lebensvorrat schmolz dahin, würde in den nächsten Augenblicken aufgebraucht sein. »Du auch?«, flüsterte er.
»Ja«, antwortete Marcus Iunius Brutus. Und stach voller Verzweiflung zu.
Wenige Monate später erfüllte sich sein Schicksal. Crassus und er stellten ihre Streitkräfte gegen die Caesaristen Marcus Antonius und Octavian. Missverständnisse führten bei Philippi zur fast vollständigen Aufreibung ihrer Heeresteile. Crassus Longinus hauchte sein Leben im Kampf gegen einen einfachen Soldaten aus. Marcus Iunius Brutus, den selbst die eigenen Leute nur noch verächtlich anblickten, wurde
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