Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen - Themsen, V: Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen
wir beide versuchen, uns zu verbergen. Aber sie – was hat sie ihm entgegenzusetzen? Falls wir überrascht werden, was wird dann wohl mit ihr geschehen? Ich sage es dir: Sie wird genauso enden wie die Leute, die im Krankenhaus in Paris vor sich hin vegetierten, ehe sie starben. Er wird ihr die Lebenskraft entziehen, wie er es mit den Menschen dort getan hat, auf welche Weise auch immer. Und wie er es im Übrigen auch mit uns tun wird!«
Davids Blick ging an Rian vorbei und wurde warnend. Sie sah sich um. Nina kam den Weg wieder hoch, die Schultern etwas hochgezogen, und rieb sich die Oberarme. Seufzend ließ Rian die Kartenrolle sinken.
»Es wird dunkel und kalt«, sagte Nina mit einem Lächeln. »Wir sollten zum Auto aufbrechen. Immerhin sind wir hierher über eine Stunde gegangen. Bis wir zurück sind, ist es stockfinstere Nacht.«
Rian nickte. »Ja, wir können gehen, hier haben wir alles gesehen, was wir sehen wollten. Wir fahren ja auch noch eine Weile, bis wir wieder in Worms sind. Und morgen …«
Nina gähnte verhalten und schüttelte den Kopf. »Das viele Laufen an der frischen Luft und das Durchfragen in den Ortschaften haben mich ziemlich müde gemacht. Es wäre schade, jetzt wieder nach Worms zurückzukehren, um dann morgen noch einmal die Strecke bis in den Odenwald zu fahren. Ich würde vorschlagen, hier über Nacht zu bleiben – in Amorbach oder vielleicht in Michelstadt, das ist ein nettes Städtchen mit vielen Fachwerkhäusern. Um diese Jahreszeit sollte es kein Problem sein, ein Zimmer zu finden.«
Rian öffnete den Mund, doch David kam ihr zuvor. »Das klingt gut, finde ich. So sparen wir morgen Zeit und können die Suche vielleicht tatsächlich abschließen. Dann müssen wir nicht noch einmal einen Tag investieren. Und dieses Michelstadt klingt so, als könnte es dir gefallen, Rian.« Er lächelte seine Schwester an, und sie klappte ihren Mund zu und funkelte ihn erbost an.
»Ich bin nicht begeistert von der Aussicht, schon wieder einen Tag in der gleichen Kleidung herumlaufen zu müssen wie am Vortag. Aber wie ich sehe, habt ihr zwei euren Entschluss ohnehin schon gefasst.«
Nina strich eine Strähne ihres schwarzen Haares zurück und sah David fast schüchtern an. »Na ja, ihr müsst es wissen. Es ist eure Arbeit, ich laufe nur mit.«
David erwiderte ihren Blick mit seinem jungenhaften Lächeln, während er sich von der Bank erhob. »Du gehörst dazu und kannst genauso deine Meinung sagen. Ohne dich wären wir niemals so schnell so weit gekommen. Also können wir durchaus auch ein wenig Rücksicht auf dich nehmen. Außerdem finde ich die Idee wirklich gut.«
»Aber Rian …«
Die Elfe winkte ab und stand ebenfalls auf. »Ist schon gut. Aber eine Bedingung habe ich: Morgen fahre ich das Auto.«
Nina riss die Augen auf. »Du willst morgen schon fahren? Ich habe dir doch noch gar nichts gezeigt …«
»Ich habe genug gesehen, während ich neben dir gesessen habe. Und diese ganzen Schilder an der Straße kannte ich zum Teil ohnehin schon, also sollte das wohl gehen, oder?«
Skeptisch sah Nina Rian an. »Nun gut, wir können ja erst mal ein paar Runden auf irgendeinem Parkplatz drehen. Aber selbst wenn du es kannst – willst du dann wirklich ohne Führerschein starten?«
Rian lächelte. »Ich werde schon nicht so fahren, dass wir einem dieser Polizisten auffallen. Und sollte es doch passieren … Wie gesagt, wir haben unsere Möglichkeiten, damit umzugehen.«
Nina schaute sie einen Moment zweifelnd an, zuckte dann jedoch die Achseln und wandte sich ab. Hinter ihrem Rücken wechselten die Elfengeschwister funkelnde Blicke. Dann winkte Rian Pirx energisch aus der Quellhöhlung herunter, und Grog trottete ebenfalls hinter ihnen her.
Rian verliebte sich tatsächlich in Michelstadt, sobald sie die gut erhaltenen und liebevoll hergerichteten Fachwerkhäuser im Ortskern sah. Bei ihrem Spaziergang nach dem Abendessen umrundete sie dreimal das Michelstadter Rathaus, das laut Nina wegen seiner ausgeprägt künstlerischen und mit aufwendigen Verzierungen versehenen Bauart sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt war. Doch auch die anderen Fachwerkhäuser ringsherum, die mit nicht ganz so viel Pracht aufwarten konnten, erhielten Rians Aufmerksamkeit. Mitternacht war bereits vorbei, als sie endlich in die Betten ihres Hotels fielen.
Rian war daher etwas irritiert, als einige Zeit später eine Tür knallte und es kurz darauf erst leise, dann lauter und hartnäckiger bei ihr klopfte.
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