Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
und den neuesten Tratsch verbreiten konnten.
Robert betrat den Pub und registrierte wohlwollend, dass ihn keine dicke Wand aus Tabakqualm begrüßte.
Und das, obwohl ich Raucher bin
, dachte er amüsiert. Das »Black Horse« war stilecht mit viel Holz, zerschlissenen Lederbänken, Barhockern und Hochstühlen ausgestattet. Sonnenlicht fiel durch die bunten Glasfenster herein, und die zumeist männliche Klientel des Hauses drängelte sich zwischen Tresen und einarmigen Banditen. Mit Anne war er fast jeden Abend hier und betrachtete den Pub schon fast als sein zweites Wohnzimmer.
Hinter der Theke stand Miranda, eine gestandene Mittfünfzigerin, und zapfte in beeindruckender Geschwindigkeit aus den verschiedenen Hähnen. Sie nickte Robert zu, als sie ihn erkannte, und er deutete kurz auf den Hahn mit dem Stout und bestellte sich dazu einen Teller frische Meeresfrüchte und Chips.
Fröhlich und zufrieden ließ er sich an einem sonnigen Fensterplatz nieder und genoss das Alleinsein und die erste richtige Schreibpause seit vielen Wochen. Er hatte schon fast vergessen, wie das war, und sein Bier schmeckte ihm vorzüglich. Von dem herrlichen frischen Fisch, dem Hummer sowie den Muscheln und Langusten könnte er sich noch monatelang ernähren, ohne dass sie ihm über wurden.
Es befanden sich noch zwei Touristenpärchen im Pub, für die sich niemand interessierte. Erst nach einer Weile merkte Robert, dass er beobachtet wurde. Er kannte die meisten Männer vom Sehen her, doch bisher hatten sie sich kaum um ihn gekümmert, weil Anne immer bei ihm gewesen war. Die Manxer waren normalerweise sehr gastfreundlich – was hieß, dass sie keine Fremden seltsam ansahen oder genau ausfragten. Jetzt flüsterten sie untereinander.
Robert entschloss sich, es zu ignorieren. Was blieb ihm auch anderes übrig? Der Tag war viel zu schön und sein Bauch angenehm gefüllt – unglaublich, wie sich die Geschmacksknospen entwickelten, wenn man das Rauchen einschränkte –, das Stout rann zügig die Kehle hinunter. So unbeteiligt wie möglich ging Robert mit dem leeren Glas zur Theke.
»Noch eins?«, fragte Miranda, und er nickte. Sie starrte ihn nicht an, sondern schenkte ruhig ein wie immer und stellte ihm das Glas mit einem leichten Lächeln hin. »Wohlsein.«
»Danke.« Robert legte zwei Pfundmünzen hin und kehrte auf seinen Platz zurück. Seine Stirn legte sich in grüblerische Falten, während er bedächtig trank; allerdings dachte er noch immer nicht an seinen Roman, sondern an die merkwürdige Situation hier.
Er war erleichtert, als sich endlich einer aus der Gruppe löste und zu ihm kam. Robert erkannte ihn: Padraigh der Ire, kurz Pat genannt – nicht »Paddy«! Wer »Paddy« zu ihm sagte, bekam auf der Stelle mit der Faust eins auf die Nase und wüste Beschimpfungen als Dankeschön.
Pat war selbst kein Einheimischer, wenngleich er seit über zehn Jahren hier als Fischer lebte. Er hatte ein grobes, breites Gesicht mit roten Wangen, wasserblaue Augen und schüttere rotblonde Haare. Der Endvierziger war oft Wortführer und selten nüchtern, doch heute erstaunlich zurückhaltend. Ohne Robert zu fragen, setzte er sich mit seinem Pint zu ihm. Eine Weile starrten beide schweigend in ihr Glas.
Robert würde den Teufel tun und den Anfang machen. Er war nicht hergekommen, um für die Insulaner den ausländischen Affen zu geben. Kurzzeitig wurde es mucksmäuschenstill an der Theke des »Black Horse«, und die beiden Touristenpaare verabschiedeten sich hastig, als wäre ihnen der plötzliche Stimmungsumschwung unheimlich. Als sie den Pub verließen, sahen sie mit großen Augen zu Robert, ratlos und doch unangenehm berührt. Schließlich dauerte den Zechkumpanen die Warterei zu lange, und sie setzten die Unterhaltung und das Spiel fort.
»Mhm«, machte Pat endlich. »Bist ohne Anne da, hm?«
»Scheint so.« Robert hob das Glas zum Prosit. Pat stieß mit seinem an, und sie tranken.
»Kommt sie bald?«
»Sie ist einkaufen in Douglas. Das kann dauern.«
»Und wie gefällt’s dir hier so?«
»Ausgezeichnet.«
»Ja. Gut.« Pat nahm den nächsten Zug, während die tabakgelben Finger seiner linken Hand bereits ruhelos über den Tisch glitten und abermals die Zigarettenschachtel suchten. Wahrscheinlich wünschte er sich gerade, sie säßen im Freien. »Rauchst du?«, fragte er, als er Roberts von einem Schmunzeln begleiteten Blick bemerkte.
»Gitanes«, gestand Robert.
»Warum überrascht mich das nicht?«, brummte Pat.
Robert hob die
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