Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
hereinlegte. Wir sind durch den
Zwischenboden
gegangen.«
»Was ist das?«
»Etwas, das alle Welten miteinander verbindet. Der Rest der Schöpfung, der Ursumpf, aus dem alles entstand. Er ist noch immer da, wenngleich leblos. Aber dort müsstest du den Weg finden. Wir sind durch den Zwischenboden zu dir gelangt ...«
»Ich erinnere mich!«, rief Nadja, und der Grogoch wedelte aufgeregt mit den Händen.
»Psst! Leiser! Und pass auf. Lass dich leiten. Von deinem dringendsten Wunsch führen. Lass dich von nichts ablenken. Vielleicht ... bringt es dich dorthin.« Grog hob die Schultern. »Ich kann dir nichts versprechen.«
»Das ist besser als alles, was mir bis jetzt widerfahren ist«, sagte Nadja und küsste den alten Kobold auf die Kartoffelnase. »Zeige mir noch, wie man in diesen Zwischenboden gelangt. Den Rest werde ich dann allein gehen, wie verabredet.«
Grog nickte. »Wir werden auf dich warten, Nadja, und auf Rian. Ich glaube an dich, denn wenn es dir nicht gelingt ...«
»Denk nicht daran.«
Der Grogoch ging ein Stück zur Seite, und Nadja sah, wie er sich meditativ versenkte. Dann löste sich der Boden zu seinen Füßen auf, und sie sah einen schmalen Pfad, der in einen Sumpf führte.
»Danke«, flüsterte sie und war schon hindurch.
Bald konnte Nadja verstehen, weswegen Rian so ein angeekeltes Gesicht gemacht hatte, als sie in München angekommen waren. Dieser Glibberschleim war scheußlich, auch wenn er nicht am Körper haften blieb. Immer wieder musste sie den Atem anhalten und hindurchtauchen.
Verlasse dich einfach auf den Instinkt, hatte Grog ihr geraten. Etwas anderes blieb ihr auch nicht übrig, denn sie hatte keinerlei Orientierungsmöglichkeit. Der Zwischenboden oder Ursumpf war eine immer gleichbleibende Ebene, deren Schichten mal niedriger, mal höher waren und sich durchaus in Farbe und Konsistenz unterschieden, aber ohne System und ohne Anhaltspunkt. Wahrscheinlich umspannte diese mystische Ebene die ganze Erde, sodass es keinen Anfang und kein Ende gab. Und auch keine Richtung.
Aber wie verließ man sich auf seinen Instinkt? Augen zu und einfach drauflos? Magische Wesen mochten sich damit auskennen, sie konnten Sphären- und Ley-Linien spüren, denen sie dann folgten. Aber Nadja war in der Stadt aufgewachsen; ihre Instinkte waren nicht besonders ausgeprägt. Und Erfahrung mit mystischen Questen hatte sie nur durch das Lesen von Märchen und Sagen gewonnen.
Und doch hatte Grog recht – wenn es einen Zugang nach Annuyn gab, dann über diesen Weg. Er verband alles miteinander, denn schließlich war alles aus ihm entstanden, selbst der Tod.
Sie brauchte vermutlich keine Angst vor Annuyn zu haben, schließlich besaß sie eine Seele und weilte noch unter den Lebenden. Andererseits könnte es natürlich auch passieren, dass sie wie ein Fremdorganismus wieder ausgespuckt wurde.
Nadja blieb stehen und sah sich um. Irgendwohin musste sie jedenfalls gelangen, denn in die Anderswelt konnte sie nicht mehr zurück. Der Zugang war sicher längst wieder verschlossen – und wenn nicht, konnte sie ihn trotzdem nicht finden. Sie verspürte aufsteigende Angst, so allein hier in der Unendlichkeit. Aber es gab Schlimmeres: eine finstere Höhle etwa, die so eng war, dass man nur robbend hindurchkam und irgendwann feststellte, dass es kein Zurück mehr gab und es nicht mehr vorwärts ging oder dass plötzlich Wasser durchsprudelte.
Damit tröstete Nadja sich. Es war hell, und sie konnte sich frei bewegen. Sie schloss die Augen, entspannte sich und dachte ganz fest an Annuyn, wie Grog es ihr geraten hatte. Dort würde sie Rians Schatten finden. Dies war ihr fester Wille. Es gab nichts anderes mehr als den intensiven Wunsch, nach Annuyn zu gelangen. Nur dorthin, nirgendwo sonst.
Wie ein Mantra sagte Nadja es vor sich her, wieder und wieder, ohne Pause oder Ablenkung. Und dann ... spürte sie, wie etwas an ihr zupfte. Verdutzt öffnete sie leicht ein Auge – und erkannte ihren eigenen Schatten, der sich vor ihr erhoben hatte und leicht an ihr zog. Sie gab seinem Drängen nach, machte drei Schritte nach vorn und ließ sich von ihm führen. Schließlich streckte sie die Hand aus. Ihr Schatten ergriff sie und führte sie auf einer unsichtbaren Linie entlang.
Nadja achtete kaum auf die Umgebung; sie hielt die Augen halb geschlossen, murmelte das Mantra weiter vor sich hin und ließ sich einfach leiten. In blindem Vertrauen folgte sie ihrem Schatten.
Dann sah sie einen Torbogen vor sich, ein schlichtes
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