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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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mir, half mir mit ihrer Präsenz durch diese schwierige Zeit. Sie schenkte mir die Kraft und Zuversicht, die ich so dringend benötigte. Es schien so leicht, einfach loszulassen und dieses dünne Band, das meine Seele an den Körper band, abzutrennen. Und es wäre ein unwiderruflicher Abschied gewesen. Ich hätte Elf bleiben können. Der elfischste aller Elfen. Mit den guten und schlechten Eigenschaften eines Wesens aus der Anderswelt, das nur oberflächliche Emotionen an sich heranließ und durch nichts, durch gar nichts verletzt werden konnte.
    Doch ich
wollte
mehr sein. Ich wollte ein Leben führen, das von Bedeutung war. Also kämpfte ich.
    Da waren Pieva und die Glückskobra. Schwarzfaun, Leuchttroll und Traumamsel. Cucurr, der an meine Seite geeilt war. Und immer wieder Estella, die sich mit allem, was sie hatte, einsetzte, damit ich die Geburtswehen meiner Seele überstand und die richtigen Entscheidungen traf.
    Ich bewegte mich durch ein Traumland, das aus wirren Sequenzen und seltsam zerstückelten Abläufen bestand. Nichts passte zueinander. Sobald ich glaubte, einen Sinn hinter all dem zu sehen, was mit mir geschah, verschwammen die Bilder und formten sich neu. Es war, als zerlege mich ein unbekannter Schöpfer in die kleinsten Bestandteile meines Ichs, um mich dann völlig neu aufzubauen. Der Vorgang legte meine dunkelsten Geheimnisse bloß, und er brachte Ängste ans Tageslicht, die ich mir selbst niemals eingestanden hätte ...
    Irgendwann endete es.
    Ich kehrte in meinen Körper zurück, und ich begann wieder zu fühlen, zu sehen, zu riechen und zu hören.
    Nach wie vor lag ich im Moos. Die Spinnen hatten einen silbernen Teppich gewoben, der die Lichtung samt Teich einfasste. Mittlerweile war es helllichter Tag geworden, das Sonnenlicht drang mit verminderter Stärke herab. Pieva kniete neben mir. Er hielt den Kopf gebeugt, als schliefe er. Cucurr stupste mich mit blutiger Schnauze an. Er hatte ein Niederwild erlegt. Blutige Innereien hingen aus seinem Maul, die er mir als Opfergabe darbrachte.
    Ich drehte meinen Kopf. Jede Bewegung schmerzte, als hätte ich am ganzen Körper einen Muskelkater. Alle anderen Wesen der Elfenwelt waren verschwunden.
    »Hast du’s also geschafft«, sagte Pieva müde, »so, wie es Estella vorhersagte.«
    Ich blieb ruhig und horchte in mein Inneres. Ja, es stimmte. Ich war nun ... vollständig. Ich war
mehr
geworden, und ich fühlte eine Tiefe, Schärfe und Fülle an Emotionen, wie ich sie mir niemals vorgestellt hatte. All meine Wahrnehmungen schmerzten. Es würde wohl eine Zeit lang dauern, bis ich mich an diese Intensität gewöhnte.
    »Wo ... ist Estella?«, krächzte ich.
    »Weit weg«, sagte Pieva leise. »Dort, wo du sie nicht mehr erreichen kannst.«
    Ich stützte mich mühsam auf und blickte mich um. Da lag die angehende Druidin ausgestreckt im Moos, umhüllt von einem bizarren Muster an Spinnfäden, die ihre unschuldige Schönheit noch weiter in den Vordergrund schoben. In den gefalteten Händen hielt sie einen Strauß aus Waldblumen, und die Augen waren geschlossen. Für immer.
    Estella – meine schöne Druidin, menschliche Hebamme meiner Seele und Retterin meiner neuen Existenz in dieser grausamen Welt – war nicht mehr. Sie hatte all ihre Kraft gegeben, hatte ihr Leben gegeben, um mich zu erwecken.
    Pieva und ich brachten den Leichnam zurück nach Numantia. Niemand stellte Fragen, niemand wunderte sich. Es schien, als wäre ich der Letzte, der erfuhr, dass Estella ihren Opfergang seit Langem geplant gehabt hatte.
    Druiden und Adepten nahmen uns den leblosen Körper aus den Armen. Manch vorwurfsvoller Blick traf mich, doch niemand sagte ein Wort. Ein Holzgerüst wurde auf dem Hauptplatz der Stadt errichtet, und man bahrte Estellas Leichnam darauf auf, weithin sichtbar für alle Stadtbewohner.
    »Sie hat sechs Tage und sechs Nächte für und um dich gekämpft«, sagte Pieva zu mir.
    »Sechs Tage?« Ich verstand nicht, warum Estella ihren Tod auf sich genommen hatte.
    »Weil sie dich liebte«, beantwortete Pieva die unausgesprochene Frage. »Dein Leben galt ihr mehr als ihr eigenes. Sie wollte dir eine neue Existenz schenken, die nicht von der Oberflächlichkeit der Elfenwelt geprägt ist.« Er setzte mich in einem Stuhl ab. »Die Götter mögen mir gnädig sein«, sagte er grimmig, »aber wenn du dich dieses Geschenks nicht als würdig erweist und es verschwendest, bringe ich dich eigenhändig um.«
    Ich duckte mich unter den Worten des Halbelfen. Sie waren

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