Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele
konzentriert. Jede Leichtigkeit war von ihm abgefallen. »Es wäre mir recht, wenn du beginnst.«
Sie nickte. Gedanken schossen ihr kreuz und quer durch den Kopf. Wo sollte sie anfangen;
wie
sollte sie es ihrem Vater sagen?
Geradeheraus!
, beschloss Nadja. Sie trank ihr Glas aus, stellte es aufs Tablett, atmete tief durch und murmelte: »Ich bin schwanger.«
»Ich weiß.«
»Wie bitte?«
Fabio lächelte, wurde aber gleich wieder ernst. »Elfenpost ist rasch, effektiv und günstig. Ich habe von deinen Abenteuern in Annuyn und in Earrach gehört.« Besorgnis mischte sich in seine Stimme. »Du hättest niemals ins Reich des Grauen Mannes vordringen dürfen; nicht einmal deine Freundin Rian ist dieses Wagnis wert. Niemand kann sagen, welche Konsequenzen sich aus deiner ... Reise ergeben.«
Nadja wollte etwas einwenden, sich verteidigen und auf den Wert von Freundschaft hinweisen; doch ihr Vater ließ sie nicht zu Wort kommen. »Wir werden ein anderes Mal darüber reden, cara.« Er küsste sie auf die Stirn, schwächte seine strengen Worte dadurch ab. Anschließend fuhr er mit verwunderter Stimme fort: »Als wäre es nicht genug, dem Herrn November ein Leben zu entreißen, hast du – sozusagen in einem Aufwasch – den alten Sturkopf Fanmór dazu gebracht, den Bann über mich aufzuheben. Ich kann es noch gar nicht fassen. Ich ... ich ... Die Familie Oreso ist frei. Endlich; dank dir.«
Nadja senkte den Kopf. Sie hasste es, wenn sie rot wurde. »Wie hast du das alles erfahren?«, wunderte sie sich.
»Erlaube deinem alten Vater, dass er manche seiner Geheimnisse für sich behält. Sonst könnte man ihn für langweilig und uninteressant halten.«
Nadja schüttelte den Kopf. Fabio gab sich rätselhaft wie immer. Er schien tausendfach in Geheimnisse verstrickt zu sein. So tief und so komplex, dass er kaum noch in der Lage war, seine eigene Persönlichkeit hervorzukehren und jenen Mann darzustellen, der er tatsächlich war.
Oder einmal gewesen war.
Die Stewardess kam und bat sie, sich anzuschnallen. Weit hinter ihnen heulten die Turbinen zum Probelauf auf, und das Flugzeug verließ sanft ruckelnd seine Parkposition. Beide stellten sie ihre Gläser beiseite und legten die Gurte an.
Fabio tastete sanft nach ihrem Bauch. »Nicht so eng«, sagte er und lockerte das Band ein wenig. Er klang zufrieden. »Ich kann das neue Leben bereits fühlen. Es wächst, ist gesund. Und es ist zufrieden mit dir.«
»Das alles willst du spüren?« Nadja lachte freudlos. »Weißt du etwa auch schon, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?«
»Selbstverständlich. Soll ich’s dir sagen?«
»Nein!«, sagte sie erschrocken. »Manchmal bist du mir unheimlich, Fabio. Es ist eine mehr als seltsame Erfahrung, einen Elfen zum Vater zu haben.«
»Ich bin ein Mensch«, sagte er ernst. »Einer, der bewusst den Schritt von einem Dasein zum anderen getan hat – und ihn bis heute nicht bereut. Aber ich bin froh, dass ich mir manche Tugenden aus meinem früheren Leben bewahrt habe.«
Nadja schob seine Hand beiseite und tastete selbst über ihren Bauch. War er bereits gewachsen? Hatte sich ihr Körper verändert? War dieses Ziehen, das sie manchmal zu spüren glaubte, ein erstes Lebenszeichen des Ungeborenen? Wo blieben dann die morgendliche Übelkeit, die Stimmungsschwankungen und hormonellen Probleme?
»Kannst du mir auch sagen, von wem das Kind ist?«, fragte sie leise. »Ist David der Vater oder ... dieser verdammte, bösartige ...«
Darby O’Gill, der Verräter, der Mörder, der Heuchler und Meineidige. Der vom Getreuen für tabu erklärt und von Fanmór verurteilt worden war, doch floh, bevor es zur Vollstreckung kam. Ewige Folterqualen in der Hölle wären noch zu gut für ihn.
»Ich weiß einiges«, sagte Fabio, »aber ich bin kein Hellseher. Ich fühle das Elfenblut in deinem Kind. Mal stärker, mal schwächer. Es wird deine ganze Kraft erfordern, um es zu ... zu bändigen. Ich weiß, wovon ich rede.«
»Willst du damit sagen, dass ich dir als Kind Schwierigkeiten gemacht habe?«
»Du nimmst mich wohl auf den Arm, wie?« Fabio lächelte. »Du warst ein Schatz. Zuckersüß, mit einem Lächeln, das die Sonne aufgehen ließ. Aber auch unstet. Wie Quecksilber. Oder wie sagt man so schön: mit Hummeln im Hintern.«
»Ich habe mich nie für ein besonders aufgewecktes Kind gehalten.«
»Ach ja? Was glaubst du denn, woher ich meine weißen Haare habe?«
»Jetzt übertreibst du aber ...«
Fabio wurde wieder ernst. »Was den Vater des
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