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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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dauerte lange, bis er den Mut fand, sich neben mich zu setzen. Zögernd streckte er die Hand aus und fühlte meine Stirn, dann den Puls. Anschließend griff er unter meine Achselhöhlen und an die Leisten.
    »Ich bin Victorius Secundus«, sagte er leise, »und wahrscheinlich der letzte Arzt in einem Umkreis von fünfzig Meilen, der diese Bezeichnung auch verdient. Ich verfluche den Tag, da ich die Studierbücher öffnete, um meinen Beruf zu erlernen; hat er mich doch an diesen unheiligen Platz gebracht, der von noch unheiligeren Wesen wie dir besiedelt wird.«
    »Ich ... schwöre dir, dass nichts ... Unreines an diesem Ort ist. Wenn du mich ... heilen kannst, werde ich dich ... reich entlohnen.«
    »Du köderst mich mit leeren Versprechungen, so, wie es alle deiner Art machen, um mir nach getaner Arbeit den Bauch aufzuschlitzen.« Victorius Secundus öffnete einen Lederbeutel. Instrumente, deren Aussehen mir überhaupt nicht behagte, kamen zum Vorschein. Seine Finger tänzelten über eine rostige und schartige Klinge, dann über eine winzige Kelle. Sie hielten schließlich an einem zangenähnlichen Gerät inne. »Ich folge der Lehre des Galenos von Pergamon«, holte er weiter aus. »Er hat unstrittig bewiesen, dass den vier Elementen Feuer, Erde, Luft und Wasser vier Säfte zugeordnet sind: Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Mithilfe der
medicinae
des Galenos ist es mir möglich, das Gleichgewicht deiner Säfte wiederherzustellen und deren Qualitäten zu verbessern. Vertraue mir, unheiliges Geschöpf.«
    Nein, das würde ich keinesfalls. »Hör gut zu ... Quacksalber. Ich möchte, dass du deine Folterinstrumente ... augenblicklich wegpackst und mir ... zuhörst, bevor du irgendetwas ... unternimmst.« Ich drückte sein Handgelenk, so fest ich konnte. Victorius Secundus stöhnte unterdrückt auf. »Meine Krankheit hat mit einem ... Wunder zu tun, das ich ... nicht verstehe. Sag mir, was ich davon halten soll.«
    Ich erzählte von meinem Besuch bei Gaius Albus. Von meiner Begegnung mit Julia und dem vermeintlichen Wiedererkennen, unter dem sowohl sie als auch ich gelitten hatten. Von den Schmerzen, die zwischen Brustbereich und Kopf hin und her wanderten.
    Das Reden brachte ein wenig Linderung, und je länger ich sprach, desto flüssiger konnte ich formulieren. Victorius Secundus sah mich konzentriert an. Längst war alle Angst in ihm verschwunden, und er sah in mir nicht mehr den Elfen, vor dem er sich fürchtete, sondern den Patienten, dem er zu helfen verpflichtet war.
    Nachdem ich geendet hatte, schob er seine Folterinstrumente zurück in seinen Beutel, den er sorgfältig verschnürte. »Keines meiner Werkzeuge würde dir Linderung verschaffen«, erklärte er, fast entschuldigend. »Aber ich denke, dass ich dir auch so helfen kann.« Er griff nach dem Weinkrug und schenkte sich nach. Großzügig überließ er mir einen Schluck. Der Rote war süß und süffig. Ich hatte zumindest meinen Geschmackssinn wiedergefunden.
    »Dann sag’s mir!«, drängte ich.
    »Zuallererst: Du bist ein sehr ungewöhnliches Mischwesen. Ein Geschöpf, das angefangen hat, eine menschliche Seite zu entwickeln. Du bist ein Experiment der Natur, das nicht immer gut gelingt.«
    Der Arzt überraschte mich. Er beurteilte nicht nur nach dem Äußeren, sondern war auch bereit, in seiner Diagnose
tiefer
zu gehen.
    »Nach der Meinung des Galenus von Pergamon ist ein Wesen die Einheit von Leib und Seele«, fuhr Victorius Secundus fort. »Es kann durch Materie, aber auch durch Metaphysik beeinflusst werden. Bei dir ist die Diagnose eindeutig: Du leidest an Wunden, die durch eine Irritation der Seele herbeigeführt wurden.« Er lächelte mich an. »Was wiederum bedeutet, dass du tatsächlich eine Seele besitzt und kein Geschöpf der Finsternis sein kannst.«
    Der Arzt drückte mir sachte aufs Herz. »Hier sitzt der herrschende Teil der Seele, mit einem Begriff der griechischen Philosophen als
hegemonikón
bezeichnet. Er führt die Tätigkeiten des Intellekts aus. Alle Antriebe, jegliche Aktivität beginnt in diesem Klumpen Fleisch. Eindrücke werden gesammelt und gedeutet. Das Herz ist der Sitz aller Dinge.« Er lächelte mich an. »Erkennst du die Dualität? Wenn es aufhört zu schlagen, vernichtet es nicht nur die Materie, sondern tötet auch das, was uns ausmacht – oder setzt es frei, je nachdem, welcher Philosophie man anhängt. Eine Seele wird frei. Und manche von ihnen folgen nicht ihrem vorbestimmten Weg ...«
    Er seufzte. »Ich habe die

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