Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
Verzierungen des Raumes sah Ainfar hinunter auf den dürren großen Mann, der zusammengekauert und nackt in einer Ecke des Wohnraumes hockte. Ein dünner silberner Ring lag um seinen Hals, von dem ebenso dünne Silberglieder zu den zwei Wänden führten und in den aufgerissenen und reißzahnbewehrten Mäulern zweier Monsterfratzen verschwanden. Wirre schwarze Locken hingen dem Mann in das schmal gewordene Gesicht, verfingen sich in den Stoppeln seines Bartes und verdeckten seine dunklen Augen. Nicht viel erinnerte mehr daran, wie kräftig und stolz er noch vor wenigen Wochen gewesen war.
Seine Ankunft im Schloss lag schon einige Zeit zurück und hatte Grund zu allerlei Spekulationen gegeben. Er war der erste Sterbliche, der es lebend betreten hatte, und es sprach sich schnell herum, dass er ein persönliches Geschenk des Getreuen an die Königin darstellte. Die ersten Tage hatte er in den Kerkern der Zitadelle zugebracht. Ainfar vermutete, dass er dort einen Eindruck von dem hatte erhalten sollen, was ihn erwartete, falls sein Verhalten nicht dem entsprach, was man von ihm erwartete. Erst dann war er zu einem Gegenstück von dem geworden, was Ainfar darstellte: ein Schoßtier, ein privates Vergnügen der Königin, völlig abhängig von ihrem Wohlwollen und Interesse. Doch während Ainfar von ihr Zärtlichkeit und Zuneigung empfing, war dieser Mann Ziel all ihrer kleinen grausamen Launen. Ainfar empfand fast Mitleid für ihn.
Fast.
Denn wie bei allen Grausamkeiten, die Ainfar bisher von Bandorchu erlebt hatte, erfolgte auch diese nicht ohne Urteil, und in diesem Fall hieß Ainfar es gut. Der Sterbliche hatte sein Leben künstlich verlängert, indem er die Essenz von Elfen aufgenommen hatte. Niemand wusste, wie viele ihm im Laufe der Zeit zum Opfer gefallen waren, aber jedes einzelne Leben, das er auf diese qualvolle Weise beendet hatte, war in Ainfars Augen die Strafe wert, die er erlitt.
Bandorchu trat aus ihrem Schlafgemach, die Haare hochgetürmt und mit schwarzen Perlen und roten Kristallen verziert, die bei jeder ihrer Bewegungen Lichtreflexe warfen. Ein enges rotes Kleid mit goldenen Ornamenten umschmiegte sie, betonte die Blässe ihrer Haut und das kristallene Grün ihrer Augen. Sie ging so dicht an dem Mann vorbei, dass der Stoff ihres Rockes ihn streifte, und Ainfar hatte den Eindruck, dass für einen Moment ein Schlitz im Stoff aufsprang und dem Mann einen kurzen Blick auf ihre makellosen Beine erlaubte. Sein Kopf ruckte hoch, und der Blick seiner fiebrig glänzenden Augen folgte ihr hungrig, während sie zu Ainfar ging und ihn herunterhob.
»Heute ist wieder Festmahlstag«, sagte sie. »Viel zartes Seelengewebe mit interessanten Geschichten wartet darauf, seiner Bestimmung zugeführt zu werden – mir zu dienen auf meinem Weg zurück zu der Macht, die mir zusteht.« Sie setzte Ainfar auf ihre Schulter, drehte sich um und legte einen Finger ans Kinn, während sie den Mann musterte.
»Irgendwann werde ich mir auch deine Seele holen«, sagte sie mit weicher Stimme. »Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn einem die Seele bei lebendigem Leib aus dem Körper gezogen wird? Ich weiß es nicht, denn wir haben ja keine, habe mir aber sagen lassen, dass es eine exquisite Qual ist. Schlimmer, als wenn ein Arm oder ein Bein langsam abgetrennt würde. Natürlich – den Verlust eines Armes oder eines Beines kann man ja auch überleben.« Sie lachte und beugte sich zu dem Mann hinunter. Ainfar verlagerte sein Gleichgewicht und schob sich in ihren Nacken, um nicht zu fallen.
»Aber ich werde mir Zeit damit lassen, keine Sorge«, fuhr sie fort. »Allerdings nehme ich mir von Zeit zu Zeit ein wenig von deinen Energien. Du weißt ja, wie
das
ist, oder? Du hast es oft genug bei deinen eigenen Opfern beobachtet. Es ist nur gerecht, wenn ich dich für den Rest deines Lebens den Preis spüren lasse, den andere dafür bezahlt haben, es zu verlängern.«
Der Blick des Gefangenen wanderte zwischen Bandorchus Gesicht und ihrem so offen dargebotenen Dekolleté hin und her. Trotz ihrer Drohungen, trotz all der in Aussicht gestellten Leiden konnte Ainfar sehen, dass ihre Nähe auf den Sterblichen die gleichen Auswirkungen hatte wie auf jeden anderen an ihrem Hof. Alle waren ihr verfallen, egal wie sehr sie sie quälte oder verachtete. Alle wollten ihr nah sein. So wie auch Ainfar selbst. Nur lebte er dicht genug dran an diesem Ziel, dass es seine Gedanken nicht mehr ganz so sehr beherrschte.
Dass mir gerade die Nähe zu ihr den
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