Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
durch einen Ausdruck von Verwirrung und aufdämmerndem Schrecken ersetzt. Sie riss die Augen auf und fuhr mit einem Schrei auf.
»Nein!«
Die Wächter in den Ecken wurden unruhig, und die Kristallwespen krochen aus ihrem Nest. Auch sie schienen die Veränderung zu spüren und zugleich zu wissen, dass sie nicht darauf reagieren durften. Ainfar konnte nur hoffen, dass Gwynbaen ihnen befehlen durfte. Andernfalls war sein Leben keinen Tupfenmorchel mehr wert.
»Nein ... nicht ... wieder ...«
Ainfar zwängte sich zwischen den kristallenen Gitterstäben des Käfigreliefs hindurch und ließ los. Mit der Geschicklichkeit eines Silberhörnchens federte er den Sturz am Boden ab und rannte auf Bandorchu-Gwynbaen zu. Noch empfanden die Wächter ihn nicht als Bedrohung. Noch war er nur ein Tier. Doch das würde sich bald ändern.
Die Bewegung hatte Gwynbaens Aufmerksamkeit erregt, und sie starrte ihn verwundert an, als er sich vor ihr auf die Hinterbeine stellte. Dann sog er so viel magische Kraft in sich, wie er konnte, und leitete die Verwandlung ein. Er hatte nur wenige Augenblicke Zeit.
Das erwartete Ziehen begann, der Schmerz des Übergangs. Er konnte es sich nicht leisten, es zu beachten, musste den Übergang mit aller Kraft beschleunigen. Sein verzerrtes Sichtfeld schoss schnell nach oben, und allein daran maß er seinen Erfolg.
Erschrocken wich Gwynbaen von ihm zurück, während er sich mit einem leisen Stöhnen in seine eigene Gestalt zurücktastete, wieder Kontrolle über seine Glieder gewann. Er streckte und dehnte sich und warf sich im nächsten Moment vor ihr auf die Knie.
»Schützt mich, meine Königin! Ich flehe Euch an«, stieß er rau hervor. Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen, so kurz nach der Verwandlung, und Panik durchschoss ihn. Konnte sie ihn überhaupt verstehen? Schon erfüllte wütendes Summen kristallener Flügel die Luft, und Ainfar hatte keine Zweifel, dass sich der gesamte Wespenschwarm binnen Sekunden auf ihn stürzen würde. Zugleich erschütterten die Schritte der Steinwächter den Boden.
Ainfar hielt die Luft an und schloss die Augen in Erwartung der ersten Stiche, die seinen Körper lähmen und ein Gift in ihn spritzen würden, das seine magischen Energien band und ihn langsam von innen her auffraß, während die Steinwächter ihm jedes Gelenk ausrenkten und jeden einzelnen Knochen brachen. Er hatte es willentlich riskiert – und es schien, als habe er verloren.
»Zurück!«
Ihre Stimme war herrisch, gebietend, duldete keine Widerrede. Es war die Stimme Bandorchus und doch nicht ihre. Es war die Stimme der alten Herrscherin, Gwynbaen, die den Wächtern Einhalt gebot.
Ainfar atmete auf. Dicht an seinem Nacken spürte er den leichten Wind, den die Flügel der Wespen erzeugten, und ihr Summen erfüllte seine Ohren. Doch sie näherten sich ihm nicht.
»Zurück!«, wiederholte Gwynbaen mit leiser Drohung in der Stimme.
Der Luftzug wich aus Ainfars Nacken, und das Summen entfernte sich zögernd. Schließlich verstummte es. Erst jetzt wagte Ainfar, seine Augen zu öffnen und zu seiner Königin aufzusehen.
»Ich danke Euch, Herrin. Danke, dass Ihr mein Leben gerettet habt, um mich anzuhören.«
Sie runzelte die Stirn. »Was willst du hier?«, fragte sie mit einer Mischung aus Unwillen und Verwunderung. »Ich bin sicher, dass du nicht hier sein solltest. Ich kenne dich nicht.«
»Ihr kennt mich, oder Euer anderes Ich kennt mich. Allerdings nicht in dieser Gestalt, denn so bin ich der Königin sicher nie aufgefallen. Aber als kleines Silberhörnchen Ariàn weiche ich seit einiger Zeit nicht von ihrer Seite.«
»Ja ... das putzige Kerlchen ...« Sie lächelte fast. »Ich erinnere mich, wenn auch vage und verschwommen.« Gwynbaen fuhr sich mit einer Hand über die Stirn und seufzte. »Manchmal denke ich, ich träume nur. Einen langen, dunklen, bösen Traum. Aber dann kommen diese Momente ...« Ihr Blick fiel auf den Beutel, und erneut trat blanker Horror in ihre Züge.
»Das seid nicht Ihr, Herrin! Es ist
sie
, Bandorchu.«
»Nicht ich?« Sie sah ihn an, die Augen weit und voller Zweifel.
»Etwas hat von Euch Besitz ergriffen und weckt Eure dunkelsten Triebe. Vielleicht sogar nur hierfür, nur für diesen Seelenfraß. Jetzt ist es gesättigt und schläft, und Ihr seid frei. Aber wenn Ihr Euch nicht wehrt, wird es wieder erwachen, und Ihr werdet erneut zur dunklen Gwynbaen, zu Bandorchu!«
»Ich ... ich erinnere mich. Ich habe einmal eine Blume geschaffen, aus einem der
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