Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin - Schartz, S: Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin
hatte nach dem Setzen des Stabes ein wenig länger zur Erholung gebraucht, aber damit hatten sie gerechnet.
Oder nahm sie etwa an, er sei tot? Nein, unmöglich, sie wusste, dass er nicht einfach so sterben konnte, nicht einmal nach einem Kampf wie gegen Morgana und einer gewaltigen Machtentfaltung, die einen Vulkan zur Explosion brachte.
Er witterte in die Luft, tastete mit seinen magischen Sinnen.
Sie ist nicht hier
. Ihr Blütenduft war noch hier, erfüllte den ganzen Raum, doch war er bereits am Verwelken. Und ihre magische Spur …
Der Getreue fuhr herum. War es möglich …? Sein mächtiger Körper setzte sich in Bewegung, und er hastete den Weg zurück in die Menschenwelt. Unterwegs hatte er plötzlich das Gefühl, etwas in ihm würde reißen, und ein kurzer Schmerz durchzuckte ihn, doch er achtete nicht darauf. Er verließ das Portal und fand sich am schwarzen Felshang des Ätna wieder, wo Cor und der Kau saßen und ihn erstaunt ansahen. Dann sprangen sie hastig auf und verneigten sich.
»Ist sie hier?«, schrie er die beiden an, die sich daraufhin wieder aufrichteten. Verständnislosigkeit lag in ihren großen Augen, und sie warfen sich unsichere Blicke zu.
»Die Königin!«, fuhr er fort. »Ist sie bereits hier durchgekommen?«
Besorgnis zerknitterte das hagere Gesicht des Kau. »Nein, Meister«, fistelte er betreten und verknotete die Finger ineinander.
»Wir haben hier auf Euch gewartet, wie Ihr befohlen habt«, fügte der Spriggans hinzu. »Wir hätten nicht erwartet, Euch so schnell …«
»Setzt die Wache fort!«, unterbrach er zornig. »Dies wird eine Weile dauern.« Er wandte sich ab und schritt ein weiteres Mal durch das Portal, diesmal alle Sinne angespannt, auf der Suche nach einer Spur. Es war seltsam: Seitdem er dieses Gefühl des Reißens gehabt hatte, kam er sich innerlich leer vor. Beinahe so wie in der Höhle der Skylla, doch diesmal bei vollem Bewusstsein. Was war nur geschehen?
Mit raschen, großen Schritten durchquerte er den Privatraum der Dunklen Frau und riss die Tür weit auf.
Niemand da, der Gang leer und verlassen, nicht einmal eine Wache. Auch der Zofensitz war unbesetzt, eine unverzeihliche Nachlässigkeit. Der Mann ohne Schatten eilte lautlos den Gang entlang, dessen teils kristalline Wände durch Bandorchus Gedanken geschwärzt waren. Nur am Rande registrierte er, dass auch hier in der Anderswelt ein gewaltiges Erdbeben stattgefunden hatte. So viele filigrane Dekorationen, Kristallblumen, selbst Gewächse waren vernichtet und dem Verfall ausgesetzt.
Als er aus einem Fenster blickte, sah er, dass ein Großteil der Außenmauer eingestürzt war, der Park zerstört. Stellenweise erreichten die Schatten der schwarzen Wolken Kammern, deren Dach abgedeckt oder eingebrochen war. Im Park schimmerte sogar hier und da der Spiegelboden durch. Dieser Bereich aber war die Zitadelle, das erste errichtete Fundament. So stabil, dass es dem Untergang getrotzt hatte; die Mauern standen unversehrt, auch wenn es innen verheerend aussah.
Der Getreue erreichte den Thronsaal, dessen hölzernes Portal – in dem ein Wurzelfüßer eingebaut worden war, der sich aufgegeben hatte – sich von selbst vor ihm öffnete, als es ihn nahen spürte. Das Geisterabbild trauriger Augen verfolgte den Getreuen, als er hindurchschritt und neben den Thron trat.
Schweigen schlug ihm entgegen, und er war selbst für einen Augenblick wie erstarrt.
Der Thronsaal war berstend voll! Selbst an den Wänden hingen und klammerten sich Elfen fest, ebenso an der Decke, den Kerzenleuchtern. Auch der Boden war übersät mit Körpern, jeder freie Platz war besetzt.
Mit einem Blick erfasste der Getreue die Wesen, erkannte das eine oder andere sogar wieder.
»Herr!«, rief die Dryade Melemida. Raschelnd eilte sie auf ihn zu und verneigte sich zitternd. »Habt Ihr Nachricht von meiner Königin … unserer Gebieterin? Könnt Ihr mir sagen, wo sie ist, damit ich zu ihr und sie versorgen kann? Wie geht es ihr?«
Der Getreue schwieg, und Dunkelheit breitete sich in ihm aus.
Melemida war eine sehr mutige Frau. Sie wich vor seiner Kälte nicht zurück, sondern hielt ihr nahezu trotzig stand. »Herr? Was habt Ihr für Nachrichten?«
»Keine«, antwortete er grollend, und ganz tief unten in der Dunkelheit entzündete sich Zorn. »Die Königin ist nicht hier, sagst du?«
Ein Raunen und Flüstern ging durch den großen Saal, von dessen einstiger Pracht nichts mehr geblieben war. Nur die Wände und der Thron standen noch, das
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